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Jetzt Plus Minus

Jetzt Plus Minus

Titel: Jetzt Plus Minus
Autoren: Robert Silverberg
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andere. Der Fallschachtzugang öffnete sich wie eine Iris, und Selene trat ein, gefolgt von anderen. Mit übertriebener Höflichkeit ließ ich allen den Vortritt und verpaßte ›zufällig‹ das Schließen des Zugangs. Der Fallschacht sank mit Selene hinunter. Ich stand allein im Flur. Ich hatte es gut berechnet; einen Augenblick später spürte ich die innere Wärme, die mir die Nähe des Gehirns von Jetzt minus n verriet.
    »– das Amulett ist verantwortlich«, sagte ich. »Das erfahre ich von –«
    Wieder hüllte mich Einsamkeit ein.
    In der Woche, die am 12. Oktober begann, erhielt ich keinerlei Vorausinformation über die Börsenschwankungen. Seit fünf Jahren war ich noch nie so uninformiert gewesen. Meine Verbindungen mit Jetzt minus n und Jetzt plus n waren flüchtig und unbefriedigend. Wir wechselten hier einen Satz, dort ganz schnell ein paar Worte, nicht mehr. Natürlich gab es jeden Tag Augenblicke, in denen ich von der schönen Selene lange genug getrennt war, um eine Botschaft zu senden. Obwohl wir von unserer Leidenschaft füreinander völlig verzehrt wurden, hatte ich doch Gelegenheiten, dem Siebenmeter-Radius ihres Psi-Unterdrückungsfeldes zu entkommen. Das Problem war, daß meine Gelegenheiten, mich mitzuteilen, nicht immer mit den Gelegenheiten von Jetzt minus n oder Jetzt plus n zusammenfielen. Wir blieben in Abständen von 48 Stunden miteinander verbunden, und diesen Abstand zu verändern, verlangte außerordentliche Disziplin und unendlich sorgfältige Koordination, die in einer solchen Zeit keiner von uns aufzubringen vermochte. Jeder Kontakt mit meinen Ichs hing deshalb von zufälligen Abwesenheiten von Selene ab.
    Ich bedauerte das zutiefst. Aber ich hatte doch Selene als Trost. Wir schwelgten den ganzen Tag und die ganze Nacht. Wenn uns die Müdigkeit überwältigte, griffen wir nach einem Zweistunden-Tiefschlafdraht und erholten uns, dann begannen wir von neuem. Ich erforschte die Grenzen der Ekstase. Ich glaube, bei ihr war es nicht anders.
    Wenngleich mir mein einmaliger Vorteil fehlte, spekulierte ich auch in dieser Woche an der Börse. Zum Teil war es Zwang; meine Coups waren zur Besessenheit geworden. Zum Teil lag es auch an Selenes Drängen.
    »Laß deine Arbeit nicht meinetwegen im Stich«, schnurrte sie. »Ich will nicht im Weg sein, wenn es ums Geldverdienen geht.«
    Geld, so stellte ich fest, faszinierte sie beinahe so sehr wie mich. Wieder ein Beweis, wie gut wir zusammenpaßten. Sie wußte selbst viel über die Börse und verfolgte als aufgeregte Zuschauerin, wie ich jeden Tag mit meinem Portefeuille jonglierte.
    Am Montag war die Börse geschlossen: Columbus Day. Am Dienstag, ängstlich im dunkeln tappend, verkaufte ich vier Werte und investierte die Beträge in große Pakete von zwei anderen Gesellschaften. Die Tribüne vom Mittwoch brachte mir zu meinem Schrecken die Nachricht, daß einer der Werte im Handel plötzlich um 9 3/4 Punkte gestiegen war. Ein anderer, von dem ich Aktien erworben hatte, war um 4 1/2 Punkte gefallen. Ich setzte mich sofort mit meinem Makler in Verbindung und verkaufte diesen Wert, der am Morgen noch tiefer gefallen war. Ich verlor 125000 Dollar – und weitere 250000 dadurch, daß ich das erste Paket zu vorschnell verkauft hatte. Nach Börsenschluß am Mittwoch erklärte der Aufsichtsrat des zweiten Wertes eine Sonderdividende, die Notierung stieg auf den alten Wert und legte noch fünf Punkte zu.
    Ich verbarg die Einzelheiten vor Selene. Sie sah nur das Äußere: die Telefongespräche, die schnellen Berechnungen, die Bewegung von Hunderttausenden von Dollar. Ich verheimlichte den schlimmen Mißerfolg, weil ich wußte, daß mein Prestige darunter leiden würde.
    Am Donnerstag kaufte ich 10000 Aktien von Southwest Power and Fusion zu 38, nur Stunden vor der Explosion der magnetohydrodynamischen Station von SPF in Las Cruces, der ein halber Bezirk zum Opfer fiel, ganz zu schweigen von meinem Verlust von 90000 Dollar. Ich verkaufte. Später wurde mitgeteilt, daß der ganze Schaden durch die Versicherungen getragen wurde, worauf SPF sich erholte. Dafür fiel ein anderer Wert erheblich, was mich erneut 140000 Dollar kostete. Ich hatte nicht gewußt, daß die Versicherung dieser Gesellschaft für den Schaden bei SPF aufzukommen hatte.
    Alles in allem verlor ich in dieser Woche über eine halbe Million. Meine Makler waren außer sich. Ich genoß bei ihnen den Ruf der Unfehlbarkeit. Die meisten von ihnen waren allein dadurch reich geworden, daß sie
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