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Jesuslatschen - Größe 42

Jesuslatschen - Größe 42

Titel: Jesuslatschen - Größe 42
Autoren: Rüdiger Paul
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Ponche “
verkauft wird, bekomme ich meist zu Weihnachten ein neues Exemplar. Ob Salvador
Dalí „ Ponche “ mochte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Im „ Theatre Dalí“ in Figueras ist die größte
Ausstellung mit Werken des Meisters zu sehen. Dort sind mir ein paar originelle
Kunstwerke aufgefallen. Auf einem Tisch sind undefinierbar verzerrte
Zeichnungen ausgestellt, vor jedem Blatt stand eine Flasche „ Ponche Caballero“. Da diese Flaschen aus Spiegelglas
gefertigt sind, konnte man in der Wölbung dieser Flasche ein gestochen
scharfes, aussagekräftiges Bild erkennen. Also hat Dalí nicht nur
spiegelverkehrt gemalt, sondern auch die Verzerrung der Flaschenwölbung
berücksichtigt. So hat er in einem Zug ver - und
gleichzeitig entzaubert. Einfach genial. Mit Spiegelbildern habe ich auf dem
Jakobsweg täglich gerungen. Denn alles was man erlebt und fühlt, sind
Reflektionen des eigenen Ich. Manche Dinge scheinen verzerrt oder auch
spiegelverkehrt. Das klare wirkliche Bild bleibt oftmals im Augenblick
unerkannt. Ändert man aber seinen Standpunkt oder die Sichtweise, ergeben sich
scheinbar aus dem Nichts überwältigende Zusammenhänge.
     
    Hier
in Santiago friste ich ein feierliches Dasein. An Gesprächspartnern fehlt es
nicht und den Leuten hier auch nicht an Themen. So vergeht dieser schöne Abend
mit guten Gedanken im Kopf.
    Von
der Hausmeisterbude habe ich mich innerhalb eines Tages zur „Nr. 24“
heraufgedient. Dieses Zimmer liegt im oberen Stockwerk mit Blick auf die Türme
der Kathedrale. Jetzt sitzt der Gitarrero direkt unter
dem Fenster und es erklingt wieder „American Pie “.
Mehr als zwei Nächte lassen diese Inszenierung erkennen. Mit Don McLean im Ohr
lasse ich den heutigen Tag ausklingen.
     
    Gute
Nacht, Janis Joplin, Jim Morrison, Frank Zappa, John Lennon, Jimi Hendrix, John
Henry Bohnham , Cäsar, Tamara Danz, Freddy Mercury,
Bryan Jones ...

Dienstag, 16.05.2006 - Freitag,
19.05.2006
    Santiago
de Compostela   -   Viego
     
    Verdienter
Strandurlaub im einhundert Kilometer entfernten Viego .
Die An- und Abreise erfolgt gänzlich ungewohnt mit dem Autobus. Vom Busbahnhof
aus kämpfe ich mich durch die belebte Stadt. Im ersten Sportgeschäft bekommen
meine Füße, was sie sich verdient haben. Es ist eine Wohltat, die nunmehr
absatzlosen Wanderschuhe gegen ein Paar gut passende Sandalen einzutauschen.
Jesuslatschen, Größe 42, wäre der Sache gerecht geworden. Neu besohlt gehe ich
leichten Fußes zur Post und gebe die Wanderschuhe auf.
    Ich
werde solange am Strand entlanggehen, bis ich ein Hotel finde, das meinen
Vorstellungen entspricht. Es sollte klein sein, privat geführt, mit guter
Küche, einen kleinen Strand aufweisen. Das klingt sehr wählerisch, aber nach
fünfzehn Kilometern Fußmarsch finde ich genau diesen Ort. Um das Urlaubsidyll
perfekt zu machen, befindet sich in Sichtweite ein kleiner Fischerhafen, mit
einem nachts einsam strahlenden Leuchtfeuer. Was folgt sind drei Tage in
absoluter Ruhe, gutem Essen, Strand, Meer, Sonne, netten Leuten und guten
Gedanken.

Freitag, 19.05.2006
    Viego - Santiago de Compostela
     
    Gerade
habe ich über einhundert Kilometer die längste Achterbahnfahrt meines Lebens
erlebt. Genau gesagt von Viego nach Santiago de
Compostela. Meine Gesichtszüge sind noch entgleist. Wer das auch erleben
möchte, sollte Bus fahren. Volle Straßen, Kreisverkehre (mehrspurig natürlich),
falsch geparkte Autos, Fußgänger, Rad- und Mopedfahrer und nicht zuletzt
besessene Busfahrer. Für sie gibt es nur den Fahrplan und den Bus, so scheint
es. Die Insassen interessieren den Fahrer wenig. Sind sie erst einmal
eingeladen, werden sie automatisch zu Gefangenen der Busgesellschaft erklärt.
Gefangen in einem rasenden Etwas, hoffnungslos ausgeliefert. Ich glaube fast , jeder der aussteigt wird vom Fahrer als Weichei
belächelt. Das verrückte daran ist, die Fahrgäste lassen sich das nicht
anmerken. Sie schauen gelangweilt zum Fenster raus oder telefonieren mit dem
Nervenarzt. Viele reden lauthals ihre Ängste weg. All das wird übertönt von
einem permanent dudelnden Radio. Getoppt wird der Radioapparat nur noch von der
permanent blechernen, krächzenden Stationsansage.
    Der
rasende Roland rast in die Estación Autobus in
Santiago. Bremsen quietschen, Motor aus. Geschafft! Endlich wieder sicheren
Boden unter den Füßen.
    Auf
dem Weg in die Innenstadt laufe ich durch abgelegene Gassen und gelange zu
einem Park. Die Anlage ist terrassenförmig angelegt und von einer
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