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Jesuslatschen - Größe 42

Jesuslatschen - Größe 42

Titel: Jesuslatschen - Größe 42
Autoren: Rüdiger Paul
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verbunden. Gérald aus
Frankreich hat mir von diesem Pol erzählt. Von dem was hier passiert, habe ich
nur geahnt. Hier strömt Energie, die niemand sehen kann. Ich möchte keine
Stunde missen, egal wie, egal was es war. So wie es ist. Am Ende bin ich
aufgeladen Gutes zu tun und ich werde. Emotionen, ist das der Begriff dafür,
wenn es einen schier wegergreift? Diese brechen förmlich in mich ein. Bilder,
immer wieder Bilder, Gefühle, Augenblicke, Gesichter, das Schwert. Ich öffne
die Augen und wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel.
    Jetzt
ist es an der Zeit, sich eine Bleibe zu suchen. Ich spreche verschiedene
Gleichgesinnte an. Kaum jemand kann mir helfen. Die großen bekannten Herbergen
sind alle weiter außerhalb. Auf der südlichen Treppe zur Kathedrale treffe ich
Lo & Elke aus Stuttgart. Sie sind schon drei Tage hier und kennen sich
sicher besser aus, als so ein Neuankömmling. Die zwei begleiteten mich zu einem
Hostal ganz in der Nähe des Platzes.
    Die
Eingänge der Häuser und Auslagen kleiner Geschäfte befinden sich unter
Gewölbebögen, welche die ganze Straße durchziehen und ihr den ewig zeitlosen
Charme geben. Mir ist nach der heutigen Strecke ziemlich egal, wo ich
unterkomme. Wichtig ist Santiago.
    Der
Inhaber dieses Etablissements ist so schnell nicht aufzufinden. Ein Norweger
regelt einiges am Telefon. Nach einigen Wortfetzentelefonaten kommt dann
endlich Senior Manolo im dunklen Treppenhaus die alten Stufen hochgestiefelt.
Das besorgte Gesicht Manolos, welches wortlos meine Frage nach einem Zimmer
beantwortet, lässt nichts Gutes ahnen. So ist es, kein Zimmer frei. Morgen
Mittag könne ich eines bekommen. Die Enttäuschung steht auch mir ins Gesicht
geschrieben. Ich habe einfach keine Lust mehr, mit dem Rucksack durch Santiago
zu tippeln, um irgendwo ein Zimmer zu bekommen. Also unternehme ich einen
erneuten Versuch. Señor Manolo meint, ich solle ihm folgen, er zieht den
Schlüsselbund aus der Tasche und schließt eine Kammertür auf.
    Als
er den Lichtschalter betätigt, leuchtet grell eine nackte, an zwei Drähten
baumelnde, Glühlampe über einem Sofa. Den Raum zu beschreiben ist recht
abenteuerlich. Es handelt sich hier um die typische Hausmeisterbude.
Putzkammer, Werkstatt, Wäschelager, Fundbüro und Ruheraum in einem. Zur Rechten
ein Tisch mit gestapelten Handtüchern. Daneben ein Tisch mit einer abgewetzten
karierten Wachstuchdecke, der „Schreibtisch“ des Señor Manolo. Über diesem ein
einfaches Brett mit Schlüsseln. Der wichtigste Einrichtungsgegenstand im Raum
ist das Hausmeistersofa. Dort wo sonst das Fenster ist, sehe ich provisorisch
eine mit Reißzwecken befestigte Gardine. Dahinter lagern Matratzen und Decken.
Über dem Sofa ist mit ein paar Latten ein hängender Zwischenboden eingezogen.
Auf diesem lagern weitere Bretter, Rohre und die unterschiedlichsten
Pilgerstöcke. Die linke Seite des Raumes ist mit einem Wäscheregal sowie
Putzzeug ausgestattet. Ein wackeliger blauer Stuhl lädt zum Wackeln ein. Es
riecht nach Wäsche, Putzmitteln, Waschpulver und Terpentin.
    Nach
meiner kurzzeitigen Ergriffenheit ergreift endlich Manolo das Wort. Er bietet
mir diese Hornsie für sage und schreibe zehn Euro an.
Ich möchte nicht ungerecht sein, aber eigentlich hätten mir die zehn Euro
zugestanden. Dafür hat sich doch der Weg gelohnt. „Erwarte das Schlechte und
freu dich über das Gute.“
    Ich
resigniere einfach, denke daran, dass ich Pilger bin. Zudem hat mir Meister
Manolo für morgen ein richtiges Zimmer zugesichert. Also heißt es gute Miene zu
schlechtem Spiel zu machen, dem Herrn Manolo zu danken und das neue Reich in
Beschlag zu nehmen. Schräg über dem Flur finde ich einen unbelegten Waschraum
mit einer Duschkabine. Der Raum ist total vollgestellt und erfüllt vom Lärm
einer rastlos rumpelnden Waschmaschine. Was kann mich denn heute noch schocken?
Im Spiegel erkunde ich das Wesen meiner Gesichtszüge. „Die Tour hat dich ganz
schön geschlaucht, Rüdi “, sind meine Gedanken bei
diesem Anblick.
    Nach
einem ausgedehnten traumhaften Tiefschlaf werde ich durch „American Pie “ von Don McLean wieder in die Realität versetzt. Wo bin
ich? Die Glühbirne, direkt über meinem Kopf, heizt noch blendend. Ich bin
vorhin sicher sofort eingeschlafen. Der Lautstärke nach zu urteilen, spielt
sich die Musik vor dem Haus oder im Flur ab. Ich möchte jetzt noch ein wenig
meine Ankunft feiern und genießen. Hier in dieser engen Kammer ist das ja wohl
kaum machbar. Also nichts
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