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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Olympiade.
    Eine der berühmtesten Wettkampfstätten außerhalb Griechenlands lag unweit von Antiochia. Dort, am Ufer des Orontes, residierte auch der römische Statthalter von Syrien. Die Reihe der Olympischen Spiele von Antiochia endete erst 521 n. Chr. Es war die Zeit, als der Hellenismus in den Wirren der Spätantike unterging. Antiochia, das war aber auch die Stadt, in der die Apostel Paulus und Petrus zu einer der wichtigsten Gemeinden der frühen Christenheit predigten. Und sie gerieten dort heftig aneinander: Können auch Unbeschnittene, also Nichtjuden, gute Christen werden? Dass diese Streitfrage am Ende mit Ja beantwortet wurde, sollte sich als entscheidende Weichenstellung für das Christentum erweisen. Während Petrus, der als echter Galiläer mit Aramäisch groß geworden war, stärker am Judentum hing, dachte Paulus globaler. Paulus sprach fließend Griechisch. Aufgewachsen unter römischer Herrschaft an der Küste Kleinasiens, war er ein hellenistischer Jude.
    Es ist anzunehmen, dass in den jungen Gemeinden, die Paulus und andere Missionare in den Jahrzehnten nach Jesu Tod gründeten, überwiegend die Koine gesprochen wurde. Griechisch ist auch die Sprache des Neuen Testaments.
    Und Jesus? Beherrschte er die Sprache, die nur ein paar Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt den Alltag prägte, die so wichtig war für die gesamte Kultur seiner Zeit? Das bleibt Stoff für Spekulationen. Wichtiger ist aber etwas anderes: Weil die griechische Sprache und die mit ihr verbundene Weltsicht die Menschen jener Zeit über große Entfernungen hinweg einander nahebrachte, fand der neue Glaube Gehör. Sonst, wer weiß, wäre die Geschichte von Jesus aus Nazareth vielleicht nicht wieder und wieder erzählt worden.

König der Wahrheit
    Was wissen wir über den historischen Jesus und seine Welt? Eine Spurensuche im antiken Palästina.
    Von Christian Schüle
    Dass er lange Haare, einen Bart und womöglich dunkle Augen hatte, kann man annehmen, aber es ist nirgends verbürgt. Er könnte ausgesehen haben wie ein typischer jüdischer Mann im Hügelland von Galiläa, weil nirgends in oder außerhalb der Bibel erwähnt wird, dass er anders oder auffällig ausgesehen hätte. Er muss galiläisches Aramäisch gesprochen haben, diesen ländlichen Dialekt, der in den urbanen Zirkeln Jerusalems belächelt wurde, weil er unsauber war und gern Silben verschluckte; die Galiläer scheinen die für semitische Sprachen wichtigen Gutturallaute nicht präzise unterschieden zu haben. Die allgemeine Verkehrs- und Handelssprache, die Sprache der Händler in den Städten zu jener Zeit war Griechisch. Jesu Aramäisch hingegen sprach man auf dem Land, es war die Sprache der jüdischen Tradition. Die Dörfer waren seine Bezugsgröße: Jesus stammte vom Land und ging ins Land. Städte mied er. In seinen Gleichnissen wird er später von Menschen erzählen, die Samen auf die Erde streuen und auf Ernte warten. Bilder, die in städtischen Kontexten spielen, wird es bei ihm nicht geben.
    Um das Jahr 28 war er plötzlich da. Er tauchte quasi aus dem Nichts auf, so viel ist bekannt, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte offenbar niemand etwas von ihm gehört. Im Jahr 28 wird Jesus mindestens 32 Jahre alt gewesen sein, weil er nicht im Jahr 1 geboren wurde, sondern mindestens vier Jahre früher, noch zu Lebzeiten des Vasallenkönigs Herodes des Großen. Der starb, historisch verbürgt, im Jahr 4 v. Chr. in Jericho. Nach Herodes’ Tod übernahmen dessen drei Söhne die Herrschaft über das antike Palästina, einer von ihnen, Herodes Antipas, bekam die römischen Klientelstaaten Galiläa und Peräa (dessen nördlicher Teil heute in Jordanien liegt).
    Was diesem Wechsel folgte, war ein unerhörter Aufbruch, eine Zeit großer Prosperität, eine Art antike Marktwirtschaft. All das kann nicht ohne Einfluss auf den heranwachsenden Jesus gewesen sein. Wenn er ein Zuhause gehabt hat, dann war es Kapernaum, ein größeres Fischerdorf mit einer Fläche zwischen 10 und 30 Hektar direkt am Ufer des Sees Genezareth. Ein eigenes Haus besaß er dort wahrscheinlich nicht, auch keine Wohnung, kein eigenes Zimmer. Er schlüpfte unter, als Gast oder Dauergast. Ob er gern gesehen war, ist nicht bekannt, aber anzunehmen, da Gastfreundschaft in der semitischen Werteordnung des Vorderen Orients seit je eine wichtige Norm war und der Schutz eines Fremden als hohes Gut galt. Von Kapernaum ging er fort, nach Kapernaum kehrte er immer wieder zurück – ein Ort, dessen
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