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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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seine Zeitgenossen bedeutete, das analysiert Christoph Markschies, der an der Berliner Humboldt-Universität Ältere Kirchengeschichte lehrt. In einem ausführlichen Gespräch beschreibt er den Mann aus Nazareth als frommen Juden, der als charismatischer und äußerst selbstbewusster Reformer auftrat. Damit habe er den Nerv seiner Zeit getroffen, in der viele Menschen für einen neuen Glauben offen waren. Den Erfolg der Jesus-Bewegung nach dem Tod ihres Meisters erklärt Markschies auch dadurch, dass die frühen Christen engagierte Sozialarbeit betrieben.
    Die Frage bleibt, ob der charismatische Prediger ganz bewusst einen neuen Glauben begründen, eine Religion stiften wollte. Aus den Quellen lässt sich das nicht herauslesen, auch wenn viele Christen das gern anders sehen möchten. Nach allem, was über ihn bekannt ist, war Jesus ein Revolutionär wider Willen, vielleicht der wirkungsmächtigste der Weltgeschichte.
    Annette Großbongardt, Dietmar Pieper im September 2012

TEIL I
    DAS LEBEN JESU

Anfang einer neuen Zeit
    Das Leben und Sterben des jüdischen Wanderpredigers Jesus von Nazareth markiert eines der wichtigsten Daten der Weltgeschichte.
    Von Dietmar Pieper
    Merkwürdig, dass der Name dieses Mannes so sehr in Vergessenheit geraten ist. Denn die Idee, die Dionysius Exiguus hatte, ist seit mehr als einem Jahrtausend in aller Munde. Bis heute. Jeden Tag. Auf der ganzen Welt. Dionysius lebte Anfang des 6. Jahrhunderts als Mönch in Rom, er übertrug Kirchenschriften aus dem Griechischen ins Lateinische. Sein Zusatzname Exiguus bedeutet »der Kleine« oder »der Geringe«. Groß aber war er im Berechnen von Kalenderdaten.
    Als knifflig hatte sich von jeher der Ostertermin erwiesen, die Feier der Auferstehung und deshalb das höchste christliche Fest. Schon in den ersten Jahrhunderten nach dem Tod des Heilands hatten sogenannte Computisten (»Berechner«) es zu einiger Kunstfertigkeit bei der Ermittlung der Ostertermine gebracht. Dabei kommt es vor allem auf den ersten Vollmond im Frühjahr an, denn auf den nachfolgenden Sonntag fällt Ostern.
    Zu Lebzeiten des Dionysius zählten viele Römer die Jahre seit der Inthronisierung des Kaisers Diokletian. Anno 241 nach Diokletian stand der Mönch vor einem Problem: Für das Osterfest des nächsten Jahres ergaben die gebräuchlichen Berechnungsarten unterschiedliche Termine. Der leidenschaftliche Computist fand eine Lösung, mit der er den Kalender revolutionierte: Als neuen Fixpunkt der Jahreszählung setzte er die Geburt Jesu ein. Das passte mathematisch und gefiel den Frommen. Dionysius Exiguus war der Erste, der seine Ostertafeln mit der Angabe »anni ab incarnatione Domini« veröffentlichte, »Jahre nach der Fleischwerdung des Herrn«. Nach der von ihm erfundenen Datierung zählte man das Jahr 525.
    Noch mehrere Jahrhunderte vergingen, bis die Einteilung der Weltgeschichte in eine Zeit vor und eine Zeit nach Christus allgemein in Westeuropa üblich wurde. Andere Weltgegenden schlossen sich später an. Sicher, es war ein Zufall, dass der Mönch Dionysius durch ein Rechenproblem auf die Idee kam, die Menschwerdung Christi als Beginn einer neuen Zeitrechnung zu sehen. Aber der Zufall wirft ein Licht darauf, wie lange es gedauert hat, bis die Geburt Jesu diese Bedeutung bekam. Der Abstand vieler Jahrhunderte war nötig, um das wundersame Geschehen in Palästina als Wasserscheide im Fluss der Zeit zu begreifen. Ein Abstand, der so groß war, als würden wir heute beschließen, den Kalender nach Christoph Kolumbus, Johannes Gutenberg oder Martin Luther auszurichten.
    Der Vergleich zeigt auch: Keine dieser Jahrtausendgestalten reicht an Jesus heran. Man muss nicht gläubiger Christ sein, um die epochale Wirkung dieses Mannes zu würdigen, der sich Menschensohn nannte, wie ein Messias auftrat und als Gottessohn angebetet wird. Wenige haben die Welt so verändert wie er, der Revolutionär wider Willen. Jesus war Jude, der seinen Glauben reformieren wollte. Eine neue Religion stiften wollte er nicht. Warum löste sich die Jesusbewegung dennoch vom Judentum ab? Warum wurde das Christentum aus prekären Anfängen in Jerusalem zur führenden Weltreligion, der heute mehr als zwei Milliarden Menschen angehören? Sogar in der zweitgrößten Religion, dem Islam mit seinen rund 1,5 Milliarden Gläubigen, gilt Jesus – arabisch Issa – als bedeutender Prophet, der im Koran häufiger erwähnt wird als Mohammed.



Auch wenn es kaum eindeutige Antworten auf diese Fragen gibt, sind
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