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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Erklärungen möglich. Der historische Jesus war ein Mensch seiner Zeit. Das sehen auch die Christen so, über ihre konfessionellen Grenzen hinweg: Jesus Christus sei »wahrer Mensch« gewesen und zugleich »wahrer Gott«, lautet die Kernaussage der auf dem Konzil von Chalkedon im Jahr 451 beschlossenen Zwei-Naturen-Lehre. Obwohl dieser ungeheuer charismatische Mann keine schriftlichen oder anderen Beweise seines Lebens hinterlassen hat, ist sein Wirken als Prediger, Heiler und Exorzist dokumentiert, in der Bibel und in einigen wenigen nichtchristlichen Quellen. Und von der Welt, in der er gelebt hat, können wir uns ein Bild machen.
    Die Spurensuche führt zuerst dorthin, wo alles begann, nach Galiläa.
    Jesus von Nazareth, nicht Jesus von Bethlehem. Wer sich dem historischen Jesus nähern möchte, muss sich von einer der schönsten christlichen Erzählungen verabschieden. Das Kindlein hat wohl nie neben Ochs und Esel in einer Krippe gelegen. Es kamen auch keine Weisen aus dem Morgenland mit Gold, Weihrauch und Myrrhe im Gepäck, um dem Neugeborenen zu huldigen. Der Nazarener, wie er in der Bibel genannt wird, hat wohl in Nazareth das Licht der Welt erblickt. Und mit großer Sicherheit war es einige Jahre vor dem Beginn der von Dionysius Exiguus erfundenen Zeitrechnung; der römische Mönch hat sich leider bei der Datierung vertan. Heute gilt 4 v. Chr. als wahrscheinlichstes Geburtsjahr.
    Seine Eltern nannten den Jungen Jeschua, was so viel bedeutet wie »Gott hilft«. Jesus ist die griechische Form dieses aramäischen Namens. Aramäisch, eine alte semitische Sprache, war im östlichen Mittelmeerraum viele Jahrhunderte lang weitverbreitet. Als überregionale Verkehrssprache drang dann das Griechische vor, aber in weiten Teilen Palästinas blieb Aramäisch das Idiom des Volkes. Später am Kreuz schreit Jesus, ehe er stirbt, in seiner Muttersprache die Worte: »Eli, Eli lama asabtani?« (»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«)
    Nazareth war in jener Zeit ein Dorf, in dem Schafe und Ziegen, Esel und Kamele zum alltäglichen Bild gehörten. Die Familien lebten von der Landwirtschaft, vor allem für den eigenen Bedarf, betrieben vielleicht zusätzlich ein Handwerk und fluchten über die hohe Steuerlast durch die römischen Besatzer. In den Schriften des Alten Testaments wird Nazareth kein einziges Mal erwähnt, und auch zu Jesu Lebzeiten war der Ort wohl nicht mehr als eine unbedeutende Ansiedlung in einer Hügellandschaft. »Was kann aus Nazareth Gutes kommen!«, bemerkt ein Mann namens Nathanael abfällig in der Bibel, als er von Philippus, einem der Jünger, für die Jesusbewegung geworben werden soll. Aber der Aura des Meisters kann sich Nathanael nicht entziehen. Ergriffen sagt er: »Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!«
    Galiläa ist ein überschaubarer Landstrich zwischen dem nördlich gelegenen Litani-Fluss im heutigen Libanon und der Jesreel-Ebene im Süden. Mehrere Jahrhunderte lang waren hier Juden in der Minderheit. Daran erinnert der Name Galiläa, der auf die hebräische Bezeichnung »galil hagoijim« zurückgeht, »Region der Heiden«. Ab etwa 100 v. Chr. wurde das Land rejudaisiert, fromme Familien aus Judäa zogen nach Norden und ließen sich in Galiläa nieder. Um die Zeitenwende lebten dort ungefähr 150000 bis 200000 Menschen. Wer in der kargen, felsigen Gegend um Jerusalem groß wurde, der dürfte von der fruchtbaren Hügellandschaft beeindruckt gewesen sein, in der Datteln, Oliven und Wein reichlich gediehen. Im Herzen Galiläas speist das Wasser des Jordans den See Genezareth, der auch Galiläisches Meer genannt wird. Mit einer Ausdehnung von 21 Kilometern in der Länge und 12 Kilometern in der Breite hat er ungefähr ein Drittel der Fläche des Bodensees. An den Ufern des Sees Genezareth hat Jesus gepredigt, geheilt und Jünger geworben. Das Fischerdorf Kapernaum wurde zum ersten Zentrum der von ihm geführten Reformbewegung.
    Ebenso interessant wie die biblischen Stätten sind manche Orte, die in den Evangelien nicht oder nur am Rande erwähnt werden. Allen voran ist das Sepphoris, die alte galiläische Hauptstadt. Der von Rom abhängige Herrscher Herodes Antipas ging dort seinen Regierungsgeschäften und seinem Vergnügen nach, bis er nach Tiberias umzog. Das neue politische Zentrum am Ufer des Sees Genezareth hatte er nach seinem Kaiser Tiberius benannt. Auffällig an Sepphoris ist die Nähe zu Nazareth: Nur eineinhalb Stunden mag es gedauert haben, vom
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