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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Dorf in die Stadt zu wandern. Beide Orte sind gut sechs Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, die Strecke führt aus 350 Metern Höhe überwiegend bergab. Ein im 1. und 2. Jahrhundert errichteter Aquädukt leitete Wasser aus Nazareth in die ungefähr 10000 Einwohner zählende Stadt, die bis dahin aus Zisternen und mit Hilfe von Eselstransporten versorgt worden war.
    Nach christlicher Legende stammten Anna und Joachim, die Eltern von Jesu Mutter Maria, aus Sepphoris. Aber auch wenn das nur eine Ausschmückung der Geschichte aus späteren Zeiten ist, kann man annehmen, dass Jesus sich auf dem urbanen Pflaster auskannte: Ein junger Mann, der mit wachem Blick für die Welt in Nazareth aufwuchs, dürfte recht genau gewusst haben, was in der nahen Stadt alles passierte. Und sicher ist: In Sepphoris bewegte sich einiges. Denn nachdem König Herodes (»der Große«) 4 v. Chr. gestorben war, kam es vielerorts in Palästina zu Erhebungen gegen die römischen Machthaber. In der Hauptstadt Galiläas riss ein Rebell, der als Judas, Sohn des Ezechias, in die Geschichtsbücher einging, die Herrschaft an sich. Aus Sicht der Römer war die Gefahr so groß, dass der mächtige Statthalter von Syrien mit einer robusten Streitmacht von Norden her gegen die Aufständischen vorrückte. Das war Publius Quinctilius Varus, derselbe Varus, der einige Jahre später von den Germanen vernichtend geschlagen werden sollte. Unter seinem Oberkommando wurde Sepphoris in Schutt und Asche gelegt. Rund 2000 palästinensische Rädelsführer, heißt es in den Quellen, habe der Römer nach seinem Sieg ans Kreuz schlagen lassen.
    Beim Wiederaufbau der galiläischen Metropole wurde dann anscheinend geklotzt, nicht gekleckert. Für Handwerker, wie vielleicht auch Jesus einer war, gab es viel zu tun. Archäologen haben herausgefunden: Die mit hellem Kalkstein gepflasterten Straßen bildeten ein rechteckiges Gitter, sie verbanden Häuser und Märkte, elegante Villen und Vergnügungsstätten. Der zeitgenössische Historiker Josephus nannte Sepphoris »die Zierde Galiläas«. Die Stadt war ein altes Handelszentrum, gelegen an einem Teilstück der Via Maris, einer der bedeutendsten Verkehrsadern der Antike. Die »Meeresstraße« verband schon seit der frühen Bronzezeit (3. Jahrtausend v. Chr.) die uralten Hochkulturen Ägypten und Mesopotamien. Von nah und fern marschierten Lastenträger und Karawanen nach Sepphoris, sie schleppten Töpfe und Pfannen, Feigen und Granatäpfel, Schmuck, feines Tuch und Parfum. Auch mit dem noch ferneren Osten wurden damals bereits Waren getauscht: Aus China kam Seide ins Römische Reich, aus Indien Pfeffer.
    Wer durch die Straßen und Märkte von Sepphoris schlenderte, tauchte ein in einen Kosmos der Nachrichten und Geschichten, der Fakten und Gerüchte. Denn neben ihren Waren transportierten die Händler Informationen – unschätzbar wichtig in einer Zeit, die nur wenig Geschriebenes kannte. Für den, der Ohren hatte zu hören und Augen zu sehen, tat sich mitten im kleinen Galiläa die große weite Welt auf.
    Es war eine jüdische, römische, phönizische, syrische, parthische, kurz eine multikulturelle Welt. Vor allem aber war es eine griechische Welt. Griechisch war die Verkehrssprache rund um das östliche Mittelmeer – nicht in ihrer klassischen Ausprägung, sondern in Form der Koine, einer Gemeinsprache, die sich seit dem 4. vorchristlichen Jahrhundert durch Vermischung verschiedener Dialekte im Heer Alexanders des Großen herausgebildet hatte.
    Was für ein Leben, und welche Nachwirkungen! Mit Alexander dem Großen, der als Eroberer Siege feierte wie niemand vor ihm, begann die jahrhundertelange Vorherrschaft der griechischen Kultur in einem Gebiet, das von Sizilien bis Indien reichte. Im Zeitalter des Hellenismus war es auch für die militärisch-politischen Riesen im kaiserlichen Rom selbstverständlich, sich vor den griechischen Geistesgrößen zu verneigen. Man ahmte ihre Dichtkunst ebenso nach wie ihre meisterliche Bildhauerei, man schmückte Gärten und Paläste im Stil der unterworfenen Nachbarn. Das griechische Erbe hatte alle Lebensbereiche durchdrungen, hohe Kultur und Philosophie, aber auch den Alltag. In vielen Städten des östlichen Mittelmeers fanden Olympische Spiele statt, so wie seit Hunderten von Jahren im Zeus-Heiligtum von Olympia auf dem Peloponnes. Die Zeitrechnung im Vierjahreszyklus der Olympiaden war üblich. Wenn Jesu Geburt auf das Jahr 4 v. Chr. datiert wird, dann war es das 1. Jahr der 194.
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