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Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben

Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben

Titel: Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben
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die der Polizei heraus und wählte sie. Niemand meldete sich. Das Freizeichen ertönte, die Leitung war also nicht gestört. Ich wartete und wählte die Nummer zum zweitenmal. Ohne Erfolg.
    Das Mädchen auf dem Sofa regte sich. Ich wandte mich um und trat zu ihm.
    Trotz der Blässe war seine Schönheit ohne Makel. Das Gesicht hatte etwas Hochmütiges. Nur der Mund wirkte mädchenhaft weich — und doch irgendwie verzerrt. Das Girl hatte brünettes Haar, das von einem Stirnband, in der Farbe ihres Rockes, festgehalten wurde.
    Blinzelnd hob das Mädchen die Lider und schaute mich an. Die tiefen, grünlich schimmernden großen Augen glichen geheimnisvollen Schatzkammern, die zu erforschen jedem Mann ein Wunschtraum sein mußte. Nur ich durfte mich nicht dieser Versuchung aussetzen. Hinter mir lag ein Toter. Der Tote war ein guter Kollege gewesen.
    »Wer sind Sie?« fragte ich das Mädchen.
    Ich sprach ruhig und sachlich, aber nicht unfreundlich. Es kam darauf an, dem Mädchen die Furcht zu nehmen.
    »Ich bin Phyllis Carter«, murmelte sie.
    Phyllis Carter! Bei mir fiel der Groschen. Daher kannte ich sie also. Sie war ein Girl, von dem man sprach. Was trieb es in dieses verlassene Nest?
    »Wo'hnen Sie hier im Hotel?« erkundigte ich mich.
    »Ich — ich wollte hier absteigen«, antwortete Phyllis. Sie blickte mich unentwegt aus ihren großen Augen an. Das Sprechen schien ihr Mühe zu bereiten.
    Ich wies mit dem Kopf hinter mich auf den toten Ray Stenton. »Sie haben ihn gefunden?« fragte ich leise.
    Phyllis schluckte. In ihren Augen schimmerten plötzlich Tränen. »Nicht nur ihn«, flüsterte sie. Im nächsten Augenblick packte es sie. Sie begann zu schluchzen, wild und hysterisch. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich einigermaßen wieder beruhigte.
    »Sprechen Sie, bitte«, sagte ich.
    Phyllis gab sich einen Ruck. Sie setzte sich auf und schwang die schlanken, wohlgeformten Beine auf den Boden. Nicht einmal die flachen, staubigen Sportschuhe vermochten die vollkommene Linie dieser Beine zu beeinträchtigen.
    »Springfield ist tot«, hauchte Phyllis. »Alle sind tot!«
    Sie muß sich beruhigen, dachte ich. Sie leidet an den Folgen des Schocks.
    Ich mußte plötzlich an das Flugzeug denken, das ich auf der Fahrt nach Springfield beobachtet hatte. Es war irgendwo in der Nähe gelandet.
    »Sind Sie mit der zweimotorigen Maschine gekommen?« fragte ich sie.
    »Ja«, sagte Phyllis. Sie starrte ins Leere, mit einem verblüfften, fast törichten Gesichtsausdruck. »Es ist noch keine Stunde her«, murmelte sie, »und doch ist in dieser Zeit für mich die Welt untergegangen.«
    Ich schaute mich um. »Wo ist die Bedienung?« fragte ich. »Sie brauchen eine Stärkung.«
    »Es gibt keine Bedienung mehr«, sagte Phyllis, die noch immer an mir vorbeiblickte, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren. »Sie sind alle tot.« Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich dachte an die unnatürliche Leere der Straßen, und ich erinnerte mich an die Worte, die Ray zu seiner Frau gesagt hatte.
    »Hier ist etwas Furchtbares im Gange…«
    »Wer ist tot?« fragte ich.
    »Alle«, wiederholte Phyllis. »Der Sheriff. Andy Clyde, der Wirt. Seine Gäste. Die alte Miß Archibald… Alle!« Ich fragte mich, ob Phyllis Carter den Verstand verloren hatte. Möglich war es schon. Diese zarten, sensiblen Geschöpfe sind einfach nicht dafür geschaffen, mit dem Tod zusammenzutreffen. Sie litt offenbar an Halluzinationen. Und doch befriedigte mich diese Überzeugung nicht. Was blieb, war der tote Ray. Was blieb, war sein alarmierender Anruf.
    Phyllis stand plötzlich auf. Ich folgte ihr in das Hotelrestaurant. Dort griff sie nach einem gefüllten Kognakschwenker, der auf dem Bartresen stand. Sie trank langsam; sie zwang sich förmlich dazu, den Inhalt des Glases nicht einfach hinunterzukippen. Ihr Zittern legte sich.
    »Ich habe mir die Brieftasche des Toten angesehen, seine Ausweise«, sagte sie und blickte mich an. In ihren Augen war jetzt ein seltsamer Glanz. »Er ist vom FBI, genau wie Sie. Ein G-man. Es kann kein Zufall sein, daß er und Sie in diesem Ort weilen. Warum mußte Springfield sterben?«
    Ich kam nicht dazu, zu antworten. Denn genau in diesem Moment schrillte in der Halle das Telefon. Ich machte kehrt und stürmte hinaus.
    »Cotton!« meldete ich mich, nachdem ich den Hörer abgenommen hatte.
    Am anderen Leitungsende war es still, nur wenige Sekunden lang. Dann quäkte eine rostig anmutende Stimme: »Hier spricht Leonie Archibald. Bist du es,
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