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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu
Autoren: Gercke Stefanie
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Küstenwache gehoben und unter Deck gebracht.
    Der Comandante verabschiedete sich mit einem zackigen militärischen Gruß und rief einem seiner Offiziere zu, an Bord des Segelbootes zu kommen und bei Señora Carvalho zu bleiben. Dann ging er selbst von Bord. Sein Steuermann ließ die Motoren röhren, das Boot legte sich schräg und entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit. Anita blieb tränenüberströmt zurück.
    Â»Es ist besser, wenn Sie sich jetzt etwas ausruhen«, sagte der Offizier der Küstenwache, löste vorsichtig ihre verkrampften Hände vom Ruder und übernahm es. »Ich bringe Sie in den Hafen.«
    Anita hielt sich am Ruder fest und schüttelte in Panik den Kopf. »Nein!«, schrie sie. »Ich bleibe hier, bis wir Frank … bis wir meinen Verlobten gefunden haben.« Sie presste die Kiefer zusammen, um zu verhindern, dass ihre Zähne klapperten, als stünde sie in eisigem Sturm.
    Der Polizist sah sie an, sah ihr Zittern, die Verzweiflung, die Tränen, die sich in ihren Augenwinkeln sammelten, und nickte schließlich. Er warf den Hilfsmotor der Segelyacht an und lenkte sie dorthin, wo die Motorboote langsame, systematische Kreise zogen.
    Bis die Dunkelheit hereinbrach, kreisten sie dort.
    Sie fanden nicht die geringste Spur.
    Der Polizist musterte Anita verstohlen. Sie starrte noch immer in verzweifeltem Schweigen auf die Wellen. Ihre Augen
waren rot gerändert, ihre Gesichtszüge schmerzverzerrt. Sichtlich verlegen schaute er hinaus übers Meer, wo der Widerschein der untergegangenen Sonne den Himmel wie Perlmutt schimmern ließ. »Es gibt hier starke Strömungen«, sagte er leise.
    Anita verstand sofort. Ihre Knie knickten ein. Sie konnte sich gerade noch an der Reling festhalten. Alles, was sie hervorbrachte, war ein tonloses Wimmern.
    Â»Ich bringe Sie jetzt in den Hafen«, murmelte der Offizier, und sein Ton ließ keinen Widerspruch zu.
    Anita setzte sich aufs Deck, barg ihr Gesicht in den Armen und schluchzte, als würde sie von innen zerrissen, während die Yacht in den Hafen tuckerte.
    Im Hafen angekommen, streckte der Offizier die Hand aus, um ihr auf den Anlegesteg zu helfen, aber sie wehrte seine Hilfe heftig ab. Seine schönen dunklen Augen füllten sich mit Mitleid. »Haben Sie niemanden, zu dem Sie heute Nacht gehen könnten?« Als Anita stumm den Kopf schüttelte, trat er einen Schritt zurück. »Nun gut. Ich sehe, ich kann Sie nicht überreden, von Bord zu gehen. Bitte finden Sie sich morgen im Büro der Hafenpolizei ein, damit wir Ihre Aussage aufnehmen können.«
    Sein Ton war sehr offiziell, er salutierte und ging den Steg entlang zum Kai, wo er, ohne sich noch einmal zu ihr umzuwenden, in ein wartendes Polizeiauto stieg.
    Anita blieb an Deck und starrte hinaus in die samtige Schwärze der mediterranen Nacht, starrte, bis Sterne vor ihren Augen tanzten und ihr der Kopf zu platzen drohte. Irgendwann ließ sie sich einfach vornüber in die Dunkelheit fallen, glitt in die stillen, kühlen Tiefen, wartete, dass die Wellen sie hinaus in die Ewigkeit trugen. Zu Frank.
    Aber sofort setzte ihr Überlebensreflex ein, und obwohl sie dagegen ankämpfte, verzweifelt versuchte, Wasser einzuatmen, tauchte sie nach Luft schnappend und um sich schlagend wieder auf. Trauer, nicht auszuhaltender Schmerz und so etwas wie
Wut, das alles bündelte sich in dem lang gezogenen Schrei, der jetzt aus ihr herausbrach.
    Von einer Segelyacht, die am übernächsten Liegeplatz festgemacht hatte, ertönte eine männliche Stimme auf Spanisch. »He, was ist los? Brauchen Sie Hilfe?«
    Anita spuckte und gurgelte, wollte dem Mann zurufen, er solle sie verdammt noch mal in Ruhe lassen, solle sich verdammt noch mal um seinen eigenen Kram kümmern, brachte aber keinen Ton heraus. Sekunden später klatschte ein Rettungsring neben ihr auf, und unmittelbar danach sprang jemand in das ölschillernde Hafenwasser und kraulte zügig auf sie zu. Mit kräftigem Beinschlag tauchte sie erneut ab, wurde aber mit einem geübten Griff unter dem Kinn gepackt und in Richtung Land gezogen.
    Ihr Retter war kräftig und ließ ihr keine Chance, sich wieder loszureißen, obwohl sie heftig strampelte. Sekunden später erreichte er mit ihr die Treppe am Steg.
    Â»Das Leben ist ein Gottesgeschenk«, prustete er. »Das wird nicht einfach so weggeworfen!«
    Mit diesen Worten zog er sie hoch auf die
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