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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu
Autoren: Gercke Stefanie
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roch nach ihm. Auf dem Regal über dem Becken im Badezimmer stand sein Rasierwasser, das Deo, lag sein Kamm, die Zahnbürste. Bewegungsunfähig stand sie davor.
    Aber es half nichts. Die Yacht war nur für fünf Tage gechartert.
Sie musste sich zusammenreißen und auch seine Sachen einpacken. Ihre Bewegungen waren hölzern, von puppenhaftem Automatismus, ihre Augen rot vor Schmerz. Jegliche Emotion war aus ihr herausgeronnen und hatte sie als leere Hülse zurückgelassen.
    Spätnachmittags war sie fertig und wuchtete das Gepäck vom Deck aus auf den Steg. Über das Handy rief sie die Charterfirma an. Man bat sie, auf denjenigen zu warten, der die Übergabe durchführen würde. Sie musste nicht lange warten. Nach wenigen Minuten kam ein junger Mann den Steg entlang auf sie zugelaufen. Er stellte sich kurz vor und drückte ihr sein Beileid aus. Anschließend ging er an Bord, während Anita zurückblieb. Sie setzte sich auf ihren Koffer und starrte mit brennenden Augen in die Wellen. Der junge Mann notierte gelegentlich etwas auf einem Block, ehe er mit einem Satz an Land sprang.
    Â»Alles okay. Sie brauchen nur noch zu unterschreiben.« Er deutete auf ihr Gepäck. »Werden Sie abgeholt?«
    Anita schüttelte stumm den Kopf, während sie ihren Namen unter das Dokument setzte. »Es gibt doch wohl Taxis im Hafen. Ich werde eines rufen.«
    Der junge Mann sah sie mitleidig an. »Lassen Sie mich Ihnen helfen. Ich bringe Sie zum Büro des Hafenmeisters, und von da aus können Sie dann ein Taxi rufen. Einverstanden?« Auf ihr stummes Nicken hin packte er die zwei schwersten Koffer  – er ließ Anita nur zwei relativ leichte Sporttaschen zum Tragen  – und marschierte los.
    Es war schon dunkel, als das Taxi die schmale, gewundene Auffahrt zum Haus ihrer Mutter hinauffuhr und vor der Tür hielt. Der Taxifahrer stellte ihr die Koffer in die Diele, tippte mit zwei Fingern dankend an seine Baseballkappe, als er das Trinkgeld sah, und fuhr davon.
    Anita packte gar nicht erst aus, sondern rief sofort am Flughafen an. Es gelang ihr, Flüge für den nächsten Tag zu bekommen. Mit der Buchung forderte sie einen Rollstuhl für ihre Mutter an,
die nicht imstande sein würde, allein die Gangway hochzusteigen. Danach erkundigte sie sich im Krankenhaus nach ihrer Mutter, sprach mit dem Stationsarzt und vereinbarte, dass ihre Mutter mit einem Krankenwagen ans Flugzeug gebracht wurde.
    Schlaflos geisterte sie durch das kleine Haus. Die Sonne war längst untergegangen, Mondlicht floss silbern über den steinernen Boden und die Wände, an denen Bilder in den glühenden Farben Brasiliens wie Juwelen funkelten. Ihr Vater, der aus einer sehr wohlhabenden Kaffee-Dynastie stammte, hatte sie mit in die Ehe gebracht. Ruhelos streifte sie daran vorbei. Obwohl er selbst gemalt hatte, und zwar ihrer Meinung nach wirklich gut, hing nirgendwo eines seiner eigenen Werke. Vor zwei Aquarellen mit sehr bekannten Signaturen  – eines zeigte einen Sonnenaufgang über dem Meer, das andere eine Marktszene  – blieb sie stehen und ließ Farben und Stimmung auf sich wirken, spürte, wie sie sich zumindest ein wenig entspannte. Gerade als sie sich abwandte, um in den Garten zu gehen, stutzte sie jedoch. Sie schaltete eine Stehlampe ein, nahm eines der Bilder von der Wand und sah es sich im Lampenlicht ganz genau an. Danach prüfte sie das zweite, dann war sie sich sicher. Beide Aquarelle waren durch Drucke ersetzt worden. Sie hängte beide Kopien zurück und starrte sie grübelnd an.
    Ihre Mutter liebte die Bilder. Vielleicht hatte sie den Erlös für die Tickets nach Südafrika verwendet? Wenn sie diese zwei tatsächlich verkauft hatte, wäre das ein bedeutender Hinweis darauf, wie wichtig ihr die Reise war. Tief in Gedanken öffnete sie die Terrassentür und trat hinaus. Was steckte bloß hinter dieser Einladung?
    Mondlicht lag als schimmernde Pfütze zwischen den Bougainvilleen. Feuchtigkeit stieg aus der Erde, Fledermäuse huschten durch die warme Nacht, und die kleinen Blüten eines unscheinbaren Buschs strömten einen betörenden Duft aus. »Galán de noche« hieß er, wie sie sich erinnerte. Ihr Vater hatte
ihr das erzählt. Abwesend pflückte sie eine der grünlich weißen Trompetenblüten und zerbröselte sie zwischen den Fingern.
    Warum wollte ihre Mutter mit ihr nach
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