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Jenseits des Meeres

Titel: Jenseits des Meeres
Autoren: Ruth Langan
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zog Kieran das Messer aus Jamies Brust und stellte dabei erleichtert fest, dass die Wunde nicht tödlich war. Aus der hinten an Jamies Sattel hängenden Tasche zog er eine lederne Flasche heraus und schüttete von dem Inhalt eine kleine Menge über die Wunde, die er mit Stoffstreifen von seinem eigenen Hemd verband. Zum Schluss holte er den Umhang von Jamies Sattel und wickelte ihn vorsichtig um den Jungen.
    „Morgen früh wirst du wieder reiten können.“ Kieran bemerkte, dass der Junge erbleichte. Sicherlich würde er gleich ohnmächtig werden.
    „Die Lady! Um sie müsst Ihr Euch kümmern! “
    Ungehalten hob Kieran die Hände. „Ich bin ein Fremder in diesem Land. Ich wüsste nicht, wohin ich das Mädchen bringen sollte.“
    Jamie schüttelte den Kopf. „Ihr versteht nicht. Die Lady ist von edler Geburt. Ihr Leben muss um jeden Preis gerettet werden. Unter den Angreifern befand sich ihr schlimmster Feind. Sein oberstes Ziel ist es, sie zu töten.“
    „Was soll ich also deiner Meinung nach tun?“
    „Bleibt bei ihr. Kümmert Euch um sie ... “ Jamies Augen wurden glasig. „Bei meiner ersten Aufgabe als Waffenmeister der Lady habe ich kläglich versagt. Falls Megan stirbt, ist mein Leben auch nichts mehr wert.“ Er klammerte sich an Kierans Ärmel. „Ich flehe Euch an! Rettet die Lady!“
    Kieran sah die Augen des Jungen vor Verzweiflung aufflackern, dann flatterten seine Lider und schlossen sich am Ende.
    Kieran drückte seine Lippen an das Ohr des Jungen. „Wo sind ihre Leute? Wo befindet sich ihre Heimstatt?“
    Doch Jamie war nicht mehr bei Bewusstsein.
    Leise vor sich hin fluchend, nahm Kieran die Waffen und Umhänge der gefallenen Krieger an sich. Jetzt gehörten sie ihm. Rasch befestigte er sie am Sattel eines Pferdes, das einem der Toten gehörte und friedlich graste. Kieran nahm die Zügel von Jamies Hengst und band sie an einen Baum. Der Junge würde, wenn er aus der Bewusstlosigkeit erwachte, heimreiten können.
    Kieran kümmerte sich nun um die junge Frau. Nur das schwache Heben und Senken ihrer Brust zeigte, dass sie noch lebte. Er nahm sie auf die Arme, schwang sich mit ihr auf eines der Pferde, ergriff die Zügel des zweiten und befestigte sie an seinem Sattel. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Colin war schon viel zu lange allein.
    Während die Pferde durch den Wald trabten, haderte er mit seiner misslichen Situation. Welch grausames Spiel trieb das Schicksal mit ihm? Er hatte Colin versprochen, ihn sicher heimzubringen, und nun hatte er sich auch noch dieses hilflose Mädchen aufgebürdet, ein Geschöpf, das ihm völlig rätselhaft war.

2. KAPITEL
    Scharf wie eine Dolchklinge fühlte Megan den Schmerz in ihrem Innern. So war es also, wenn man sterben musste. Ja, sie stand an der Schwelle des Todes. Es schien nur gerecht, dass sie ihr Leben opferte. Jamie lebte nicht mehr, und daran war sie schuld. Jetzt musste sie ebenfalls sterben.
    Jamie ... Sie sah sein Gesicht vor sich und hörte sein fröhliches Lachen. Jamie - Schelm, Spötter, Bruder, Freund ... Der Schmerz überwältigte sie. Jamie gab es nicht mehr. Das vermochte sie nicht zu ertragen. Doch während sie noch seinen Verlust betrauerte, verblasste sein Bild vor ihrem geistigen Auge.
    Sie spürte nur noch körperlichen Schmerz, und als dieser immer größer wurde, überflutete sie eine neue Welle der Angst. Sie fürchtete sich nicht vor dem Tod, sondern vor dem Todesschmerz. Und dieser Schmerz war überall, schien sich immer tiefer in ihr festzusetzen. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, doch er ließ sich nicht abschütteln. Er war da, in ihrer Schulter, ihrem Arm, ihrem Kopf. Ganz besonders in ihrem Kopf. Gewiss hatte man ihr den Schädel gespalten.
    Ihr war heiß, furchtbar heiß. Und sie vermochte ihre Gliedmaßen nicht zu bewegen, weil sie zu schwer waren. Selbst ihre Lider fühlten sich schwer an. Es war viel zu anstrengend, sie zu öffnen.
    „Immer mit der Ruhe, Mädchen.“
    Eine tiefe männliche Stimme drang an ihr Ohr. Megan kannte diese Stimme nicht, dennoch wusste sie, dass sie sie schon einmal gehört hatte.
    Jemand berührte sie. Sie erstarrte und war zum Widerstand entschlossen, aber sie konnte sich nicht wehren. Und dann legte sich auch die Furcht. Das waren die Engel. Ja, die Engel würden sie jetzt holen. Und obgleich sie stets gedacht hatte, sie würde gegen das Sterben ankämpfen, hieß sie jetzt diese sanfte Berührung willkommen. Feste Hände streckten sich ihr entgegen. Sie schwebte und trieb dahin. Die
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