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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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folgen wirst.“ Albor fuhr sich durch den Bart. „Das passt mir alles nicht, Lys. Hier zu hocken und nichts zu tun, wenn du verstehst.“
    „Absolut. Ich reite noch heute Nacht zum Schloss. Kein politisches Geplänkel, ich werde direkt fragen, warum man meinen treuen Söldner verschleppt hat.“
    „Is’ das nich’ riskant?“
    „Es gibt keinen gefahrlosen Weg. Maruv hasst mich, das weiß jeder.“
    „Aber wenn der dich jetz’ in den Kerker wirft und für Hochverrat anklagt, weil du ihm was unterstellt hast?“, fragte Onkar besorgt.
    „Das werde ich zu vermeiden suchen. Wenn ich mich der Sitte entsprechend vorsichtig von hinten herum an das Thema heranschleiche, dauert es Ewigkeiten, bevor ich irgendetwas erfahre. Bis dahin könnte nicht nur Maruv mich hundert Mal politisch angreifen, sondern mein Schwiegervater und ein halbes Dutzend Landesfürsten dazu; und Kirian ist bis dahin möglicherweise schon nicht mehr zu retten.“
    Die Räuber blickten einander an und zuckten die Schultern. Keiner von ihnen wusste, wie es am Königshof und unter Adeligen tatsächlich zuging, und sie waren froh darüber. Wenn Lys meinte, so handeln zu müssen, dann war es eben so.
     
    Seit Lys Elyne von Lichterfels geheiratet hatte und damit zum zweiten Mann in der Thronfolge geworden war, stand er im Mittelpunkt aller politischen Interessen. König Maruv wie auch Archym von Lichterfels, der unmittelbare Thronfolger, waren alte Männer, die nicht mehr viele Jahre vor sich liegen hatten. Archym hatte ihn überhaupt nur deshalb akzeptiert, weil er genauso wie alle anderen davon überzeugt gewesen war, dass Lys ein schwacher, feiger und leicht lenkbarer Mann wäre, ein unrühmlicher Sohn des zweitstärksten Fürstentums in Onur. Zu sicher war er sich gewesen, dass er mit Lys auch Corlin kontrollieren würde. Archym hatte seinen Fehler rasch eingesehen, da Lys keine Zeit verloren hatte, sich als Meister des Intrigenspiels zu präsentieren. Dieses Spiel, dessen Diktat alle Adelshäuser Onurs unterlagen, kannte nur ein Ziel: Gewinn und Sicherung von Macht. Gewalt war erlaubt und hinterhältige Attacken normal.
    Ein Geflecht komplizierter, kaum durchschaubarer Regeln, Gesetzen und ungeschriebener Vorschriften, die auf Ehre und Wertvorstellungen beruhten, schränkten die Spieler ein. Es konnte geschehen, dass ein einziger Blick, ein zur falschen Zeit gesprochenes Wort zu offenen Kampfauseinandersetzungen führte, während Entführung oder Mord an selbst hochrangigen Adligen meist ungesühnt bleiben musste. König Maruv hatte dieses Spiel vervollkommnet, das von seinen Vorgängern initiiert worden war, um die allzu starken und miteinander verfeindeten Fürsten zu beschäftigen und von Umsturzplänen gegen den Thron abzuhalten. Seit Jahrzehnten herrschte eine Art ruheloser Frieden im Reich, eine fragile Stabilität, die von gelegentlichen Rachefeldzügen oder Attacken der Adligen untereinander nicht gefährdet wurde. Der Preis dafür war immens: Straßen verfielen, Verbrechen wurden nicht geahndet. Häufig lagen Felder brach, weil die Bauern zu Frondiensten oder in sinnlose Schlachten gezwungen wurden. Mehr als einmal war es zu Aufständen gekommen, die entweder gewaltsam niedergeschlagen oder mit hastigen Lebensmittellieferungen beendet wurden.
    Es gab zahlreiche Räuberbanden, ähnlich wie Kirians, die sich aus Vertriebenen und halb verhungerten Bauern zusammensetzten. Meist wurden sie von Söldnern gejagt und die wenigen Überlebenden öffentlich hingerichtet. Dass Kirians Bande seit rund dreizehn Jahren zusammenhielt, lag ausschließlich an den rigorosen Regeln, die ihr Sheruk aufgestellt hatte, um die Gefahr von Verrat wie auch Verfolgung so gering wie möglich zu halten. So hatte er unter anderem in halb Onur Ausweichlager an schwer zugänglichen Stellen errichtet, wo sich die Bande verstecken konnte, sollte es in einem Gebiet für sie zu gefährlich werden. Er gestattete ihnen keine sinnlosen Grausamkeiten, Überfälle nur auf kleine Handelsgruppen mit geringer Bewaffnung. Einen Gutteil ihres Auskommens bestritten sie durch Entführungen reicher Bürger oder niedriger Adliger, die sie gegen Lösegeld wieder unversehrt freiließen.
    Es war eine solche Entführung gewesen, die Lys und Kirian zusammengebracht hatte … Eine merkwürdige Fügung des Schicksals, die seitdem ihrer aller Leben bestimmte.
     
    Lys seufzte innerlich und schob die Erinnerungen beiseite. Er hatte viele Fehler gemacht, seit er die Hand nach dem Thron
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