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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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aber ergeben beugten.
    Man konnte hier jederzeit auf königliche Patrouillen stoßen, die das Land gegen Eindringlinge sicherten, darum mussten sie auf der Hut sein. Lys nicht weniger als seine Gardisten, denn wenn diese mit den Pferden gefunden werden sollten, waren all ihre Pläne hinfällig und Kirian möglicherweise verloren.
    „Wir sind gleich da“, wisperte Onkar. Lys beachtete ihn allerdings nicht, er hatte sich mehrere Schritte von ihm entfernt und lauschte in die Dunkelheit. Dass sie verfolgt wurden, wusste er bereits seit einigen Minuten, aber nun wurden es immer mehr Gestalten, die sich in der Nähe verborgen hielten. Freund oder Feind? Langsam zog er sein Kurzschwert. Mittlerweile hatte er Frieden mit dieser Waffe geschlossen – nach Robans Tod hatte er lange Zeit kein Schwert mehr anrühren wollen; sein Bruder war ein meisterlicher Schwertkämpfer gewesen. Kirian hatte es geschafft, Lys daran zu erinnern: Schwerter waren nur ein Werkzeug wie jedes andere auch. Nicht mehr, nicht weniger. In der Dunkelheit waren Pfeil und Bogen nutzlos. Das Kurzschwert mochte ihm bei der Übermacht an Gegnern ebenfalls nicht viel nutzen, dennoch schenkte ihm das vertraute Gewicht ein Gefühl von Sicherheit.
    „Kommst du?“, zischte Onkar ungeduldig.
    „Wir sind umzingelt“, erwiderte Lys mit lauter Stimme. „Vielleicht geben sich unsere Begleiter ja höflich zu erkennen?“
Der junge Räuber erstarrte neben ihm. Es knackte im Unterholz, dann traten ein halbes Dutzend Schattengestalten an sie heran.
    „Hat lange gedauert, was hat euch aufgehalten?“, ertönte Albors Stimme. Erleichtert umarmte Lys den Mann, der Kirians Stellvertreter und ältester Freund war, und klopfte ihm auf die Schultern.
    „Du hast mich erschreckt! Verzeih, Albor, schneller ging es nicht. Onkar brauchte zwischendurch eine Schlafpause, sonst wären wir bereits vor Einbruch der Nacht hier gewesen.“
    „Ich …“, fuhr Onkar hoch, doch Albor beschwichtigte ihn lachend.
    „Schon gut, Kleiner, war nich’ ernst gemeint. Ihr wart so schnell, wir hatten nich’ mit euch gerechnet. Deshalb sind wir rangepirscht, wir dachten, ihr seid Späher. Kommt jetzt, unser Lager is’ da vorn.“
    Lys nahm am Feuer des provisorischen Lagers Platz. Es lag in einer Senke, umgeben von dichtem Nadelgehölz, sodass der Widerschein nicht nach außen dringen konnte. Die vertrauten Gesichter der Räuber wirkten beruhigend auf ihn. Sie waren allesamt einfache Männer, jeder mit seiner eigenen Geschichte, warum er zum Geächteten, zum Bandit geworden war. Keiner von ihnen erwartete mehr vom Leben als ein kleines bisschen Zufriedenheit. Sie akzeptierten ihn, weil er ihnen Sicherheit bot. Seine Herkunft, Vergangenheit oder eines der tausend winzigen Details in Kleidung, Haltung, Gestik, Mimik, Wortwahl, die einem Adligen wichtig wären, nahmen sie gar nicht wahr. Er war eben Lys, dem sie vertrauten, der Geliebte und Verbündete ihres Sheruks. Bei ihnen musste er sich weder verstellen noch lügen oder jedes Wort einzeln abwägen. Nur hier konnte er sicher sein, dass ein Satz genau so gemeint war, wie er gesprochen wurde. Es gab Tage, da wünschte er, alles hinter sich zu lassen und einer von ihnen zu werden.
    Dankbar nahm er einen Becher Tee an, auch gegen den Schluck Rum darin hatte er nichts einzuwenden. Die Stimmung war angespannt, man spürte, wie besorgt sie alle waren, an den verstohlenen Blicken, mit denen sie ihn musterten, an den verhaltenen Bewegungen, dem ungewöhnlichen Ernst. Niemand scherzte, schimpfte oder stritt sich mit seinem Sitznachbarn. Dass einer von ihnen als Räuber gefangen genommen, gefoltert und getötet wurde, darauf waren sie jederzeit vorbereitet. Was mit Kirian geschehen sein mochte, darauf wussten sie sich keinen Reim zu machen. Lys nahm sich nur den kurzen Moment, bis sich die heiße, scharfe Flüssigkeit in seinem Körper ausgebreitet hatte und die Erschöpfung vertrieb, die von dem hastigen Ritt hierher in seinen Knochen steckte.
    „Gibt es Neuigkeiten?“, fragte er dann.
    „Nein“, erwiderte Albor. „Alles ist ruhig in Purna, außer Maruv sind keine nennenswerten Adelsleute am Hof. Hm, vielleicht ist’s sogar verdächtig ruhig, merkwürdig wenige Patrouillen unterwegs. Wir wissen immer noch nicht, welcher Herrscher dieses Wappen führt. Sveit und Ramin sind dem Trupp hinterher, der Kirian verschleppt hat, und lassen in regelmäßigen Abständen Zeichen zurück. Ich erkläre dir gleich, wie du die zu lesen hast, falls du ihnen
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