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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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richtige Folter losging. Er hätte nicht standgehalten, wie auch, so ein Kleinkind wie er, der hätte alles verraten.“
    „Wer hatte ihn denn erwischt?“, fragte Lys behutsam. Er wusste, das Thema Folter war für Albor schwer zu ertragen.
    „Keine Ahnung. Wir waren auf dem Weg nach Urrat, ich weiß nicht, auf wessen Land wir uns da rumgetrieben hatten. Kann nichts Wichtiges gewesen sein, Kirian sprach von einem Großherrn.“
    „Wenn also nichts Schlimmes geschehen ist, warum hast du dann Sorge?“
    „Hm, Onkar war danach so still, er ist viel ruhiger als früher. Ich mein’, seine ganze Familie ist draufgegangen, hat nie gesagt, woran. Wir sind alles, was er hat, und wir konnten ihn nicht beschützen. Ist schwierig für so’n Jungen. Kirian hat lange mit ihm geredet, danach war’s wohl besser. Ich hab ihn absichtlich geschickt, damit er merkt, dass wir ihm vertrauen.“
    Albor seufzte tief. „Wird Zeit, dass es besser wird, Lys. Du und Kirian, ihr habt so viel Kraft für Versteckspiele und Betrug und allerlei. Wir anderen sind einfacher gestrickt. Wir können bald nicht mehr durch ganz Onur geistern und so tun, als wären wir tatsächlich die lebenden Legenden vom großen Sheruk und seinen Männern.“
    Lys schwieg betroffen; was sollte er sagen?
    „Bring uns Kirian zurück, Lys, wenn’s irgendwie geht. Wir brauchen ihn. Ich kann die Bande eine ganze Weile zusammenhalten, aber wenn sie den Glauben verliert, dass Kirian wiederkommt, werden sie weggehen. Zu anderen Banden oder als Arbeiter. Das würden sie nicht überleben, auch wenn’s wahrscheinlich der Legende nicht schaden würde.“
    „Es gibt nichts, was Kirians Legende noch zerstören könnte“, murmelte Lys. „Wenn er stillschweigend verschwindet, wird er unsterblich, wird er öffentlich hingerichtet, zum Märtyrer, wenn er den Verstand verliert und in Frauenkleidern auf Rathausdächern tanzen geht, findet sich auch dafür eine Erklärung.“ Er griff nach Albors Arm und drückte ihn. „Ich gebe alles, was ich kann, das schwöre ich dir, damit Kirian heil zurückkehrt.“
    Der Räuber nickte düster, schweigend legten sie das letzte Stück des Weges zurück.
    „Pass gut auf dich auf, Kleiner, und gib Bescheid, wenn du was weißt. Wir warten hier zwei Tage. Wenn wir dann nichts hören, folgen wir Kirians Spur“, murmelte Albor zum Abschied, als sie die Pferde erreicht hatten.
    „Er wird nicht auf sich aufpassen, aber dafür sind wir ja da“, sagte Erek lachend, der größere und ältere der beiden Gardisten.
    „Nimm Onkars Pferd mit zurück zum Lager, es würde auffallen. Sobald ich aus Maruvs Klauen entwischen kann, bin ich wieder bei euch.“ Lys klopfte ihm auf den Rücken und schwang sich in den Sattel.
    Albor erschauerte. Diese Worte klangen zu sehr nach einer Prophezeiung – einer finsteren Prophezeiung. Fast unbewusst verschränkte er die Finger ineinander, eine Geste, mit der man die Götter um Schutz vor dem Dreigehörnten bat, dem Schöpfer allen Unheils.
    Verflucht will ich sein, kommt bloß heil wieder, ihr alle!

3.
     
    „Euer Edelgeboren.“ Einer von Purnas zahllosen Dienern verbeugte sich ehrerbietig vor Lys. Dem Mann war nicht anzumerken, dass es noch Stunden bis zur Morgendämmerung dauern würde, er wirkte so frisch und ausgeschlafen, als hätte er nur auf das Eintreffen eines hohen Fürsten gewartet. Seine dunkle Livree mit dem königlichen Wappen – ein weißer Drache, in dessen Pranken ein goldenes Ei ruhte – war tadellos sauber und so glatt wie gerade mit dem Plätteisen bearbeitet. Das war selbst für den Königshof ungewöhnlich und bestärkte Lys’ Befürchtungen einer Intrige.
    „Falls Ihr eine Audienz beim König wünscht …“, begann der Diener, aber Lys unterbrach ihn mit einem freundlichen Lächeln.
    „Nicht doch, unser geliebter Herrscher hat Wichtigeres zu tun als mit einem bedeutungslosen Nichts wie mir zu sprechen. Zumal um diese Zeit.“ Verwirrt starrte der Diener ihn an.
    „Bitte, keinerlei Umstände für mich! Gebt mir und meinen Begleitern ein bescheidenes Unterkommen, wo wir uns ausruhen können. Ein Frühstück zur gewohnten Stunde, das wäre wunderbar. Wir warten aber gerne, niemand soll für uns wichtigere Pflichten vernachlässigen. Man wird uns kaum bemerken … gegen Mittag reiten wir weiter, sofern unsere Tiere bis dahin bei Kräften sind.“ Nun starrten ihn sowohl der Diener als auch Lys’ Eskorte fassungslos an. Ein Fürst, der sich so bescheiden gab, als wäre er bloß ein
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