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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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rangniedriger Freiherr, kaum würdig, den Fuß auf dieses Gelände zu setzen!
    „Ich will nur schnell mein Pferd versorgen, vielleicht erklärt Ihr meinen Begleitern schon einmal den Weg zu geeigneten Gasträumlichkeiten, damit Ihr nicht länger um diese götterlose Zeit aufgehalten werdet?“ Mit diesen Worten führte Lys sein eigenes wie auch die Pferde der Gardisten zum Stall, ganz wie ein Knecht.
    Nach einigen langen Augenblicken räusperte sich der Diener und verneigte sich tief vor den zurückgebliebenen Männern. „Wenn Ihr mir folgen wollt …?“ Weder seine Miene noch seine Stimme verrieten, was er sich zwangsläufig denken musste.
     
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    Als Lys die prächtig ausgestatteten Räume betrat, die man ihm zugewiesen hatte, grinste er zufrieden. Der Diener hatte sich selbstverständlich nicht wieder Schlafen gelegt, sondern auf ihn gewartet, bis er alle drei Pferde abgesattelt, abgerieben und mit Wasser und Futter versorgt hatte. Den Stallmeister, der verschlafen, dafür umso eifriger um ihn herumgesprungen war, hatte er dabei weitestgehend ignoriert und jede Handreichung mit freundlichen Worten belohnt. Die Knechte, die ebenfalls aus dem Schlaf gerissen worden waren, hatten nur ratlos danebengestanden, das merkwürdige Schauspiel betrachtet und miteinander geflüstert, bis Lys sie mit einem Lächeln bedachte: „Die Herren, ihr braucht hier nicht zu warten und zu frieren. Diese drei Pferde gehören mir, sie haben mich und meine Begleiter meilenweit getragen. Dass ich sie nun selbst mit allem versorge, was sie benötigen, ist allein der Respekt, den ich ihnen schulde.“
    „Das sind Pferde, Euer edler …“, stammelte einer der jungen Burschen nervös, stolperte dabei über den Ehrentitel, weil er offensichtlich nicht wusste, wer Lys überhaupt war. „Die sind dafür da, oder? Dass man sie reitet, mein ich.“
    „Ich könnte sie zwingen, mir zu gehorchen, ja“, erwiderte Lys leise und streichelte dabei über den Hals seines Fuchshengstes. „Ich könnte sie schlagen, wenn sie bocken, sie verkaufen oder töten, ganz wie es mir in den Sinn kommt. Aber wozu, wenn sie mir freiwillig dienen, solange ich gut zu ihnen bin? Wenn ich anschließend ihnen diene, hilft das fürs nächste Mal. Dem Mann, der einem Wasser und Futter reicht, folgt man nun mal lieber als dem, der die Reitgerte auf die Flanken peitscht.“
    Auf diese reichlich dick aufgetragene Erklärung hatte niemand mehr etwas erwidert, alle hatten ihn nur mit großen Augen angestarrt. Lys war sich nicht sicher gewesen, ob sie ihn für einen Verrückten hielten, für einen Weichling, oder ob sie ihn überhaupt verstanden hatten. Doch als er den Tieren auf den Rücken klopfte, um sich von ihnen zu verabschieden und sein Hengst eigens für ihn aufhörte zu fressen, um ihm mit dem Maul sanft gegen die Schulter zu stoßen und sich noch eine zusätzliche Streicheleinheit zu erbetteln, da hörte er den Stallmeister flüstern: „Das ist der junge Corlin. Verdreht im Kopf, sagen die einen. Hat viele Gesichter, von schwächlich bis grausam, sagen die anderen. Aber wer so mit einem Pferd umgeht … da dürfte es gerne mehr von geben.“
    Lys dachte wehmütig an Kirian. Der neckte ihn immer für seine merkwürdigen Ideen und Ansichten –
    „Du und deine Träumereien von Frieden! Du verwirrst die Leute nur! Genauso gut könntest du ihnen sagen, dass die Sonne im Süden aufgeht.“
    Lys wusste, Kirian hatte recht. Die meisten Menschen reagierten nervös, wenn er zu freundlich zu ihnen war, es widersprach allem, was sie für den gewöhnlichen Lauf der Welt hielten und führte eher dazu, dass sie ihm jeden Respekt verweigerten. Ein Mittelmaß zu finden zwischen dem, was er für richtig hielt und dem, was man von ihm erwartete, fiel ihm oft schwer. Heute war er allerdings zufrieden mit sich, denn er war sicher, dass er gleich auf zwei Ziele erreicht hatte: Die Knechte zu beeindrucken und Maruvs Neugier zu erwecken.
     
    Der Diener, der noch immer durch nichts spüren ließ, was er von Lys und seinem Tun hielt, führte ihn durch das nächtliche Schloss. Lys war gerne hier, Purna war ein wunderschöner Ort. Das Schloss mit seinen zahlreichen Treppen, verwinkelten Gängen, riesigen Fenstern, Balkonen, Erkern und Türmchen war völlig ungeeignet als Festung. Sollte es jemals belagert werden, wäre die Schlacht bereits gewonnen, bevor sie begonnen hatte. Zum Leben hingegen war es ein Traum, sofern man über ausreichend Bedienstete verfügte, die diesen Traum
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