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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
Autoren: mulder43
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Knacken, Geraschel. Inzwischen war es heller, aber auch bei Sonnenschein wirkte Blackwater Landing nicht viel freundlicher. Der Fluss war hier ziemlich tief, gesäumt von modrigen schwarzen Weiden und dicken Zedern und Zypressen - einige waren abgestorben, andere noch nicht, aber alle mit Moos und den würgenden Ranken der Kupoubohne überwuchert. Im Nordosten, nicht weit von hier, lag der Great Dismal Swamp, und wie alle Expfadfinderinnen im Paquenoke County kannte sie sämtliche alten Sagen um dieses Sumpfgebiet: die Geschichte von der Frau vom See, dem Eisenbahner ohne Kopf... Aber nicht diese Gestalten waren es, die ihr zu schaffen machten; hier, in Blackwater Landing, ging ebenfalls ein Gespenst um - der Junge, der Mary Beth McConnell entführt hatte. Lydia öffnete ihre Handtasche und zündete sich mit zittrigen Händen eine Zigarette an. Beruhigte sich etwas und spazierte am Ufer entlang. Blieb neben einem Streifen aus hohem Schilf und Rohrkolben stehen, die sich im sengenden Wind bogen. Sie hörte, wie oben an der Straße ein Auto angelassen wurde. Jesse fuhr doch nicht etwa ab? Beunruhigt blickte Lydia die Böschung hinauf, sah aber, dass der Wagen nicht wegfuhr. Vermutlich lässt er bloß die Klimaanlage laufen, dachte sie. Als sie sich wieder dem Wasser zuwandte, fiel ihr auf, dass die Rohrkolben und das Schilf immer noch wogten, sich bogen, raschelten. Als ob dort jemand wäre, der sich auf das gelbe Absperrband zubewegte und sich dabei dicht am Boden hielt. Aber nein, natürlich nicht. Es ist nur der Wind, sagte sie sich. Und andächtig legte sie die Blumen in die Gabel einer knorrigen schwarzen Weide unweit des grausigen Umrisses der Leiche und der Blutlache, die so schwarz war wie das Wasser des Flusses. Wieder setzte sie zu einem Gebet an. Auf der anderen Seite des Paquenoke lehnte sich Deputy Ed Schaeffer an eine Eiche und achtete nicht auf die Stechmücken, die seine bloßen Arme umschwirrten. Er ging in die Hocke und suchte den Waldboden erneut nach Spuren des Jungen ab. Er musste sich an einem Ast abstützen; ihm war schwindlig vor Erschöpfung. Wie die meisten Deputys seiner Dienststelle war er seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen und suchte nach Mary Beth McConnell und dem Jungen, der sie entführt hatte. Aber während die anderen heimgefahren waren, um sich zu duschen, etwas zu essen und ein paar Stunden zu schlafen, war Ed vor Ort geblieben. Er war der älteste Deputy des Bezirks und der massigste obendrein (einundfünfzig Jahre alt und einhundertzwanzig Kilogramm schwer, größtenteils überflüssiges Fett), aber Müdigkeit, Hunger und steife Glieder hinderten ihn nicht daran, weiter Ausschau nach dem Mädchen zu halten. Wieder musterte der Deputy den Boden. Er drückte auf die Sendetaste seines Funkgeräts.
    »Jesse, ich bin's. Bist du da?«
    »Schieß los.«
    »Hier sind Fußspuren«, flüsterte er.
    »Sie sind frisch. Höchstens eine Stunde alt.«
    »Meinst du, die sind von ihm?«
    »Von wem denn sonst? So früh am Morgen, auf dieser Seite des Paquo?«
    »Sieht so aus, als hättest du Recht gehabt«, sagte Jesse Corn.
    »Ich wollt's ja erst nicht glauben, aber du hast vielleicht doch den Nagel auf den Kopf getroffen.« Ed war der Meinung gewesen, dass der Junge hierher zurückkommen werde. Nicht wegen des altbekannten Klischees, wonach der Täter stets zum Tatort zurückkehrt, sondern weil Blackwater Landing seit jeher sein Jagdrevier und er in den letzten Jahren immer hierher gekommen war, wenn er in Schwierigkeiten gewesen war. Ed schaute sich um, ängstlich jetzt, da die Erschöpfung und die Beschwerden verflogen waren. Mit bangem Blick betrachtete er das heillose Gewirr von Blättern, Ranken und Ästen rundum. Herrgott, dachte der Deputy, der Junge ist hier irgendwo. Er sprach wieder in das Funkgerät.
    »Die Spur führt scheint's in deine Richtung, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Er ist hauptsächlich auf dem Laub gelaufen. Sperr die Augen auf. Ich schau nach, woher er gekommen ist.« Mit knackenden Knien richtete Ed sich auf und folgte den Fußspuren des Jungen so leise, wie es bei seinem Gewicht ging, in die Richtung, aus der sie kamen - tiefer in den Wald hinein, weg vom Fluss. Nach rund dreißig Metern sah er, dass sie zu einem alten Unterstand führten - einer grauen Hütte, groß genug für drei bis vier Jäger. Die Schießscharten waren dunkel, der Verschlag wirkte leer und verlassen. Okay, dachte er. Okay... Vermutlich ist er nicht da drin. Aber trotzdem. Schwer
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