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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
Autoren: mulder43
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die sich um ein offenes Grab scharten. Ein Totengräber ließ gerade eine Urne in die offene Grube hinab. Lucy Kerr hielt sich neben Amelia Sachs. Garrett Hanion stand bei ihnen. Auf der anderen Seite des Grabes stand Mason Germain, daneben Thom, wie immer in tadellos gebügelter Hose und Hemd, der sich auf einen Stock stützte. Er hatte eine kesse Krawatte mit einem schrillen roten Muster umgebunden, die trotz des traurigen Anlasses durchaus passend wirkte. Fred Dellray, in einem schwarzen Anzug, war ebenfalls anwesend, stand aber etwas abseits, allein und in Gedanken versunken - so als sänne er über einen Absatz in einem der Philosophiebücher nach, die er so gern las. Er hätte einen Prediger abgeben können, wenn er ein weißes Hemd getragen hätte, statt des limo-nengrünen mit den gelben Tupfen. Tatsächlich waltete hier kein Pfarrer seines Amtes, obwohl dies ein bibelfester Landstrich war, in dem es vermutlich ein Dutzend Geistliche gab, die allzeit für ein Begräbnis bereit standen. Der Leiter der städtischen Leichenhalle warf den versammelten Trau ergästen einen Blick zu und fragte, ob jemand etwas sagen wollte. Und während sich noch alle fragend nach einem Freiwilligen umblickten, griff Garrett in seine weite Hose und zückte sein zerfled-dertes Buch mit dem Titel Die Welt im Kleinen. Mit stockender Stimme las er daraus vor:
    »>Oftmals begegnet man Menschen, die spöttisch darauf verweisen, dass es keine göttliche Macht gäbe, doch solcher Hohn wird wahrlich auf eine schwere Probe gestellt, wenn wir Einblick in die Welt der Insekten nehmen, die mit so vielen wunderbaren Eigenschaften ausgestattet sind - deren Flügel so zart sind, dass man kaum meinen mag, man hätte es mit lebender Materie zu tun, deren Leiber nicht ein Milligramm Übergewicht aufweisen, die Sinnesorgane besitzen, mit denen sie die Windgeschwindigkeit bis auf den Bruchteil eines Meters pro Sekunde messen können, Gehwerkzeuge, die so tritt-und standfest sind, dass Ingenieure Roboter nach ihrem Vorbild konstruieren, und was am allerwichtigsten ist, eine so erstaunliche Fähigkeit zum Überleben, dass sie sich trotz aller Gefahren zu behaupten wissen, trotz aller Nachstellungen durch den Menschen, durch Räuber und trotz aller Unwägbarkeiten der Elemente. In Augenblicken der Verzweiflung können wir uns diese wunderbaren Wesen mit ihrer Findigkeit und Beharrlichkeit vor Augen führen und darin Trost, neue Kraft und einen verloren gewähnten Glauben wieder finden.<« Garrett blickte auf, schlug das Buch zu. Schnipste nervös mit den Fingernägeln. Er schaute zu Sachs und fragte:
    »Möchten Sie noch was sagen?« Doch sie schüttelte lediglich den Kopf. Niemand sprach ein Wort, und nach ein paar Minuten wandten sich alle vom Grab ab und zogen auf einem verschlungenen Weg den Hang hinauf. Noch ehe sie oben an der Kuppe angelangt waren, hinter der ein Picknickplatz angelegt war, waren bereits die Totengräber am Werk und schütteten mit einem kleinen Bagger die Grube zu. Lincoln Rhymes Worte kamen ihr in den Sinn. Der Friedhof ist nicht schlecht. Hätte nichts dagegen, an so einem Ort beerdigt zu werden... Sie blieb stehen, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und atmete tief durch - die Hitze hier in North Carolina war nach wie vor gnadenlos. Garrett allerdings schien die Temperatur überhaupt nicht wahrzunehmen. Er rannte an ihr vorbei, lief zu Lucys Bronco und lud die Einkaufstüten aus. Nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt oder der rechte Ort für ein Picknick, dachte Sachs, aber vermutlich kann man auch mit Hühnersalat und Wassermelone einen würdigen Leichenschmaus zum Gedenken der Toten begehen. Dazu natürlich Scotch. Sachs durchwühlte etliche Tüten, bis sie endlich die Flasche mit dem achtzehn Jahre alten Macallan fand. Mit einem leisen Ploppen zog sie den Korken.
    »Ah, mein Lieblingston«, sagte Lincoln Rhyme. Vorsichtig rollte er über den abschüssigen Rasen zu ihr. Der Hang, an dem das Grab lag, war zu steil für den Storm Arrow, deshalb hatte er hier oben gewartet. Er hatte von der Hügelkuppe aus zugesehen, wie sie die Asche der Gebeine bestatteten, die Mary Beth in Blackwater Landing gefunden hatte - die sterblichen Überreste von Garretts Familie. Sachs goss einen Schuss in Rhymes Glas, das mit einem Strohhalm versehen war, dann schenkte sie sich einen Schluck ein. Alle anderen tranken Bier.
    »Schwarzgebrannter ist wahrhaft abscheulich, Sachs«, sagte er.
    »Meide ihn um jeden Preis. Der hier ist weitaus
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