Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
werfe und reumütig zurückkomme, damit du dir doch noch dieses Scheißabiturzeugnis an die Wand nageln kannst!«
    »Ich verbitte mir diesen Ton!«
    »Tschuldigung, aber recht habe ich trotzdem. Übrigens gibt es bei der Firma Sommer vierzehn Azubis, davon haben vier Realschulabschluß und zwei Abitur. Und alle lernen Landschaftsgärtner. Biste nun beruhigt?«
    Rolf war es nicht, aber was sollte er machen? Sven war erstens volljährig und zweitens zur Selbständigkeit erzogen worden, und die endete nun keineswegs bei der Fähigkeit, sich notfalls mal einen Knopf alleine annähen zu können. Trotzdem brachte er seine Wäsche regelmäßig mit nach Hause, auf daß ich sie wüsche, reparierte und schrankfertig verpackt wieder in den Koffer legte. Statt Münzen und Büroklammern fischte ich jetzt Steinchen und Reste von Blumenbast aus den Hosentaschen, aber sonst hatte sich nicht allzuviel geändert.
    Weihnachten war die Familie wieder einmal komplett. Sascha hatte zehn Tage Urlaub bekommen, und Sven hatte 14 Tage Urlaub genommen, unbezahlten natürlich, aber er brauchte ja Zeit, um den gebührend beeindruckten Freunden seine neue Errungenschaft vorzuführen. Sie war nicht mehr die Jüngste, schien auch schon bessere Tage gesehen zu haben und hörte auf den Namen Püppi. Püppi war rot, trug drei silberne Streifen auf dem Kopf und war ein Auto. Ein sehr kleines zwar und auch ein ziemlich altes, aber es lief, und es lief sogar auf Rädern statt auf Wechseln:
    Rolf wollte sich probehalber hinter das Steuer zwängen, gab den Versuch aber gleich wieder auf. »Wird der Schuhanzieher zum Einsteigen vom Werk eigentlich mitgeliefert?« Mit schmerzlich verzogenem Gesicht rieb er die angeschlagene Kniescheibe.
    »Wenn die Autos weiterhin immer kleiner werden, kommt bald der Tag, wo der Fußgänger zurückschlagen kann!«
    Sascha empfahl seinem Bruder, den Wagen auf keinen Fall zu waschen, weil er nur noch durch die solide Dreckschicht zusammengehalten werde, aber die düstere Prognose hinderte ihn doch nicht, in das Vehikel hineinzukriechen und die Möglichkeiten für den Einbau der Stereoanlage zu überprüfen. Sven meinte allerdings, die nicht unerheblichen Fahrgeräusche würden auch den leistungsfähigsten Lautsprecher übertönen. So hörte ich das stereophone Geröhre weiterhin zu Hause, denn der neugebackene Autobesitzer tauchte nun an jedem Wochenende auf, und wenn er nicht da war, dann benutzten die Zwillinge seine Anlage. Obwohl technisch unbegabt und allenfalls imstande, Stefanies Taschenrechner zu programmieren (natürlich heimlich!), kamen sie mit dem komplizierten Steuerungssystem ohne weiteres zurecht. Den Lautstärkeregler fanden sie immer zuerst.
    Eines Morgens kurz vor sieben Uhr klingelte es Sturm. Bei solchen Gelegenheiten habe ich sofort ein schlechtes Gewissen, dabei weiß ich nie, weshalb. Die mehr oder weniger regelmäßigen Besuche von Polizeibeamten hatten ein Ende gefunden, seitdem Sven und Sascha angefangen hatten, sich mehr für Mädchen als für Motorräder zu interessieren; Hiobsbotschaften werden uns meistens telefonisch übermittelt, und die Zeitungsfrau kommt in der Regel am Monatsanfang zum Kassieren. Und das tagsüber. Wer konnte also in aller Herrgottsfrühe …?
    Es war Sascha. »Könnt ihr mal eben das Taxi bezahlen! Ich bin total pleite.«
    Rolf zückte bereitwillig die Brieftasche und entlohnte den Fahrer überaus großzügig. Dann trug er die Koffer ins Haus, goß seinem sichtlich übernächtigten Sohn eine Tasse Kaffee ein und nahm erwartungsvoll neben Sascha Platz.
    »Du brauchst mir gar nichts zu erzählen. Eigentlich wundere ich mich nur, daß du fast fünf Monate durchgehalten hast. Seit wann spielst du denn schon mit dem Gedanken, aufzugeben?«
    »Wieso aufgeben? Ich bin rausgeflogen!«
    Rolf rührte sich Marmelade in den Kaffee, zündete die Zigarette am Filtermundstück an, bemerkte es gar nicht, stierte seinen Sohn an und – schwieg.
    »Nun guck nicht so entgeistert! Ich habe keine silbernen Löffel geklaut. Man hat mich rausgeschmissen, weil ich angeblich faul und aufsässig bin, dabei hatte ich mich nur geweigert, in den Müllcontainer zu kriechen!«
    »Könntest du das etwas deutlicher erklären?«
    Sascha zog ächzend seine Schuhe aus und besah sich stirnrunzelnd das große Loch im Strumpf: »Das war das letzte heile Paar. Eins habe ich jedenfalls in der Zwischenzeit gelernt: Es gibt im Hotelgewerbe zwei Berufskrankheiten, nämlich Plattfüße und Alimente. Im Berghotel zahlen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher