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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe
Autoren: Evelyn Sanders
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einen verständnislosen Blick.
    Aber dann kam der Tag, an dem ich wieder das uneingeschränkte Vertrauen meiner beiden Söhne genoß. Sie nagelten mich fest, als ich mich mit Zeitung, Sonnenbrille und Kaffeetasse bewaffnet hatte, um auf der Terrasse den Frühling zu genießen.
    »Määm, wir müssen mal ernsthaft mit dir reden!«
    Derartige Einleitungen hatten in früheren Zeiten zerschlagene Fensterscheiben signalisiert, Zusammenstöße mit Ordnungshütern oder Ärger mit Nachbarn. Jetzt mußte es aber etwas Bedeutsameres sein, die Knaben machten so entschlossene Gesichter.
    »Fällt es euch eigentlich nicht ziemlich schwer, fünf Kinder zu ernähren?« begann Sven, während er geistesabwesend kleine Schnipsel von der Zeitung abriß und sie zu Kügelchen drehte.
    »Bisher sind wir ja noch nicht verhungert, aber wenn euer Appetit nicht allmählich normale Ausmaße annimmt, könnte es eventuell gewisse Engpässe geben!« Ich bemühte mich erfolgreich, den aufkommenden Lachreiz zu unterdrücken. »Sollten eure Präliminarien allerdings bedeuten, daß ihr in diesem Sommer auf den Urlaub verzichten und euch einen Job suchen wollt, so habt ihr meine uneingeschränkte Zustimmung.«
    Die Knaben sahen sich an. »Nee, also an einen Ferienjob hatten wir eigentlich weniger gedacht«, dämpfte Sascha meinen unangebrachten Optimismus, »uns schwebte mehr so was wie ein richtiger Beruf vor.«
    »Verstehe ich nicht.«
    »Sieh mal, Määm«, nahm Sascha den Faden wieder auf, »Sven ist dicke über achtzehn, ich bin siebzehn, und das ist doch nun wirklich zu alt, um noch zwei Jahre zur Penne zu latschen.«
    »Andere Jungs in meinem Alter gründen schon Familien«, warf Sven ein.
    »Wohl in den seltensten Fällen ganz freiwillig!«
    »Na, wenn schon, jedenfalls gibt es genügend achtzehnjährige Väter.«
    Mir schwante Fürchterliches. »Willst du damit etwa andeuten, daß ich Großmutterfreuden entgegensehe?«
    »Ach Quatsch, ich meinte das doch nur ganz allgemein. Warum kannst du bloß nie sachlich bleiben?«
    »Weil ich eure Hintertreppendiplomatie nur zu gut kenne. Also jetzt raus mit der Sprache! Was wollt ihr mir nun eigentlich in dieser homöopathischen Dosierung beibringen?«
    Sascha holte tief Luft. »Wir wollen runter von der Schule!«
    »Weiter nichts?«
    »Määm, es ist uns ernst damit.«
    »Ich weiß. Mir war es seinerzeit auch sehr ernst, weil ich Kindergärtnerin werden wollte und kein Abitur brauchte. Dann bekam ich von meiner Mutter einen gehörigen Anranzer, von meiner Klassenlehrerin einen halbstündigen Vortrag, der mich herzlich wenig beeindruckte, und von meiner Großmutter eine Ohrfeige, die mich noch weniger beeindruckte. Damals war ich sechzehn und fest davon überzeugt, auf die Schule verzichten und mich auf eigene Füße stellen zu können. Nach ein paar Wochen bin ich dann von allein wieder zur Vernunft gekommen. Aus diesem Grunde halte ich es auch für angebracht, wir vertagen diese Debatte bis zu den großen Ferien!«
    »Eben nicht«, widersprach Sven ganz entschieden, »weil wir nämlich nach den Ferien gar nicht mehr zur Schule gehen werden.«
    »Nein? Welche Pläne habt ihr denn sonst?«
    Es stellte sich heraus, daß die beiden Obersekundaner mit einer unerwarteten Zielstrebigkeit vorgegangen waren und festumrissene Vorstellungen von ihrer Zukunft hatten.
    »Nun überleg doch mal, Määm, Abitur ist ja schön und gut, wenn man anschließend studieren will, aber das kommt bei uns doch sowieso nicht in Betracht. Alle naturwissenschaftlichen Fächer unterliegen dem Numerus clausus; und wenn ich beim Abi nicht ohnehin gleich durchraßle, schaffe ich es bestenfalls mit einer Drei. Und damit kannste heute vielleicht noch Kunstgeschichte studieren oder Archäologie, aber nichts, was mich interessieren würde.«
    »Archäologie wäre gar nicht so schlecht«, räumte Sascha ein, »vorausgesetzt natürlich, ihr finanziert uns mal 'ne Expedition. Aber in irgendeinem Museum fossile Knochen abstauben ist wirklich nicht das, was mir für den Rest meines Lebens vorschwebt. Mich interessiert die Hotelbranche, da kann man unheimlich Kohle machen.«
    »Sicher, wenn man eins erbt«, gab ich zu.
    »Muß nicht sein, man kann ja auch einheiraten«, belehrte mich mein Filius, der noch bis vor kurzem jedes außerplanmäßige Glockenläuten mit einem Kopfschütteln zu begleiten pflegte. »Schon wieder so ein Idiot, der freiwillig in sein Unglück rennt.«
    »Also du willst Hoteldirektor werden?« vergewisserte ich mich noch
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