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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe
Autoren: Evelyn Sanders
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typisch für diese autoritäre Generation«, erklärte Sascha seinem Bruder. »Und wohin sind die mit all ihrer Schulweisheit gekommen? Mitten hinein in den Zweiten Weltkrieg. Wer danach noch übriggeblieben ist, hat später auch nicht viel anfangen können mit Photosynthese oder Differentialquotienten, der hat ums Überleben gekämpft. Ich glaube auch kaum, daß griechische Versmaße der richtige Rhythmus zum Steinekloppen gewesen sind.«
    Rolf blieb unerbittlich, die Knaben blieben es auch. Die Gespräche zwischen ihnen und ihrem Vater beschränkten sich auf knappe Äußerungen, wie: »Wer hat zuletzt die Zeitung gehabt?« oder: »Gib mir mal das Salz rüber!« Bei längeren Mitteilungen fungierte ich als Zwischenträger. »Du kannst deinen Söhnen bei Gelegenheit ausrichten, daß sie ihre Fahrräder nicht immer in der Garageneinfahrt abstellen sollen! Außerdem wünsche ich, daß zumindest Sascha abends um elf Uhr zu Hause ist!«
    Die so Angesprochenen kamen schweigend allen Aufforderungen nach, ansonsten übten sie sich in passiver Resistenz. Vergeblich versuchte ich, zwischen den Parteien zu vermitteln, aber mit Holzköpfen kann man nicht reden.
    »Schließlich geht es um unsere Zukunft!« sagten die Söhne.
    »Schließlich geht es um ihre Zukunft!« sagte der Vater.
    Zumindest in der Sache als solcher herrschte Übereinstimmung.
    Und dann kamen aus der Schule die blauen Briefe – von den Betroffenen nicht nur erwartet, sondern ersehnt, von Rolf mit ungläubiger Miene zur Kenntnis genommen. Er gab sich geschlagen.
    »Damit habe ich nicht gerechnet«, bekannte er offen, »aber ich muß zugeben, daß diese Methode wirksamer war als alle anderen Versuche, mich von der Ernsthaftigkeit ihrer Absichten zu überzeugen. Sollen sie also in Gottes Namen anfangen, ihre Brötchen selber zu verdienen. Hoffentlich bleiben sie ihnen nicht im Halse stecken!«
    Nachdem Rolf nun endlich sein Einverständnis gegeben hatte, entwickelte er auch sofort die zu erwartende Aktivität. Die bestand hauptsächlich darin, daß er seine irregeleiteten Söhne mit den Folgen ihres Entschlusses konfrontieren und ihnen eine eventuelle Umkehr ermöglichen wollte.
    »Ich halte es für völlig falsch, wenn ihr sofort mit einer richtigen Lehre anfangt. Ihr solltet erst einmal ein unverbindliches Praktikum machen, etwa ein halbes Jahr lang, und wenn ihr dann immer noch bei der Stange bleiben wollt, reden wir weiter!«
    Die Knaben waren zwar bereit, alle Forderungen zu erfüllen, wenn sie nur nicht wieder in einer Schule endeten, aber unter einem Praktikum konnten sie sich nichts vorstellen.
    »Wie denkst du dir denn das?«
    »Das muß ich mir erst überlegen.«
    Rolf überlegte nicht lange. Er entsann sich eines Schulfreundes, der in einem Harzer Kurort ein renommiertes Hotel führte, setzte sich mit ihm in Verbindung und eröffnete anschließend seinem Sohn, daß er am 1. September im Berghotel als Page anfangen könne.
    »So weit weg?« murmelte Sascha leicht erschüttert.
    »Mensch, freu' dich doch, da hast du Ausgang bis zum Wecken«, versuchte Sven seinem Bruder die Sache schmackhaft zu machen.
    Ich war auch nicht so unbedingt begeistert von der Aussicht, meinen Sprößling vierhundert Kilometer weit entfernt zu wissen, aber wenn er früh genug ins kalte Wasser springen mußte, würde er wohl ziemlich schnell das Schwimmen lernen.
    »Was muß man eigentlich als Page tun?« wollte er wissen, denn seine Erfahrungen mit Nachtlagern außerhalb der heimischen vier Wände beschränkten sich überwiegend auf Jugendherbergen und Zeltlager.
    Sven zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, vielleicht Fahrstuhl fahren, Briefe wegbringen und ähnliche subalterne Tätigkeiten. Hoffentlich wächst dir die Verantwortung nicht über den Kopf!« Dann begehrte er zu wissen, was nun mit ihm geschehen würde: »Fangt aber nicht an, mich einem Blumenladen als Laufburschen unterzujubeln!«
    »Keine Angst, mein Sohn«, beruhigte ihn sein Vater, »du fängst auch am 1. September an, und zwar als ungelernter Hilfsarbeiter in einem Betrieb für Garten- und Landschaftsbau in Stuttgart!«
    »Hilfsarbeiter??«
    »Was denn sonst? An Experten für Kakteenzucht sind die nämlich weniger interessiert!«
    Am wichtigsten erschienen den beiden Berufsanwärtern zunächst einmal die finanziellen Aussichten, wobei Sven das bessere Los gezogen hatte. Er würde sehr anständig verdienen, und da er relativ billig im betriebseigenen Lehrlingsheim wohnen könnte, sah er sich schon als
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