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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf
Autoren: F Schmöe
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niemanden.«
    Katinka wollte nicht nachzählen, wie oft sie genau diesen Satz schon gehört hatte.
    »Sehen Sie, Frau Isenstein«, sagte sie geduldig. »Wenn es irgendeinen Verdacht gegen Ihren Mann gäbe, Zeugenaussagen oder irgendetwas, dann wäre die Polizei bei Ihnen vorstellig geworden.«
    Während sie das sagte, musste sie zugeben, dass Ewald Isenstein im Kontext des anonymen Briefes durchaus Aufmerksamkeit erregen würde. Ein Geisteskranker, der durch Aggressionsschübe auffiel und zur Tatzeit alleine in seinem Haus in der Nähe des Tatorts gewesen war. Oder am Tatort.
    »Morde hinterlassen Spuren«, redete Katinka weiter. »Fasern am Körper des Opfers, an Mauern, im Gras, in der Erde. Haare, Blut oder Hautpartikel, von denen eine DNA-Probe genommen werden kann. Wenn Spuren da sind, dann können die Ermittler Ihren Mann sofort ausschließen.« Wenn er es nicht doch war, fügte sie im Stillen hinzu.
    Charlotte Isenstein starrte düster auf die Tischplatte vor sich. Katinka griff endlich zu ihrem Glas und trank einen Schluck. Der Saft war warm geworden und schmeckte klebrig.
    »Ich möchte wissen«, sagte Charlotte so leise, dass Katinka sich konzentrieren musste, um alles mitzukriegen, »wer diesen elenden Brief geschrieben hat. Ich bitte Sie, nur das herauszufinden.«
    Katinka leckte sich die süßen Saftreste von den Lippen.
    »Auch hier hat die Polizei bessere Möglichkeiten. Sie können einen Handschriftenkundler dazubestellen.«
    »Himmelherrgott!«, fuhr Charlotte auf. »Wollen Sie kein Geschäft machen? Nehmen Sie den Auftrag an oder nicht!«
    Katinka hätte am liebsten laut gelacht. Dies hier war kein Geschäft, und sie musste den Brief der Polizei zeigen, sobald sie mit dem Kuvert im Rucksack aus diesem Haus verschwunden war. Am liebsten hätte sie »nein« gesagt. Aber dann öffnete sich ihr Mund ganz von selbst und nannte einen um dreißig Prozent erhöhten Tagessatz. Charlotte Isenstein ging hinaus und kam kurz darauf mit mehreren grünen Scheinen in der Hand zurück. Katinka zog ihren Quittungsblock aus dem Rucksack, trug den Betrag ein und unterschrieb. Sie würde die Summe zurückzahlen müssen. Es kam nicht in Frage, dass sie den Fall bearbeitete. Charlotte intervenierte nicht, als Katinka schließlich den anonymen Brief in einer Plastiktüte verstaute und einpackte.
    »Ich melde mich bei Ihnen, Frau Isenstein. Sollte wieder ein Brief kommen, dann rufen Sie mich sofort an.« Sie legte mit einigen Minderwertigkeitsgefühlen ihre Visitenkarte auf den Tisch. Sie war nicht einmal halb so teuer wie Charlottes.
    »Wiedersehen«, sagte Charlotte Isenstein an der Haustür. Sie zögerte einen Augenblick, sah Katinka schließlich offen an und sagte:
    »Wissen Sie, was das Schlimmste ist?«
    Katinka schüttelte den Kopf.
    »Er hat keinerlei sexuelles Interesse mehr.«
     

3. Carla Nerius
    In der Polizeidirektion brachte ein wohlgesonnener Beamter Katinka zu Hauptkommissar Uttenreuthers Büro.
    »Herein«, kam es ungnädig.
    Der Beamte grinste schief und verschwand. Katinka trat ein.
    »Ach, Palfy!« Hardo stand auf und kam zu ihr herüber. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Dies ist ein geschäftlicher Besuch.«
    »Sie besuchen mich doch ohnehin nur aus beruflichen Gründen«, sagte er ein wenig vorwurfsvoll. Er hatte recht. Katinka traute ihren Gefühlen nicht über den Weg und vermied es in letzter Zeit, Hardo privat zu sehen, obwohl sie ihn vermisste, wenn sie sich allzu lange nicht trafen. Außerdem steckte da immer die noch Erinnerung an jene Januarnacht, in der sie ihm das Leben gerettet hatte, in ihrem Bauch und flatterte und raunte. Das Krafttraining war eine perfekte Zwischenlösung: Sie sahen sich, aber nicht allein.
    »Ich brauche eine Information über einen Unfall in Königsberg.«
    Hardo zog ein Gesicht.
    »Der Verbindungsbeamte für Russland hat schon Feierabend.«
    »Für Königsberg in Bayern.«
    »Dafür sind wir nicht zuständig.«
    »Aber Sie kennen doch sicher einen Kollegen, oder?«
    Er wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Setzen Sie sich. Welcher Unfall? Stecken Sie in Schwierigkeiten?« Sein massiger Körper sank auf den Bürostuhl.
    »Nicht jedes Mal, wenn ich zu Ihnen komme, klebt mir Morast an den Fersen.«
    »Nein«, bestätigte Hardo. »Das Verhältnis liegt in etwa bei fünfzig zu fünfzig. Entweder gibt’s Ärger, oder Sie brauchen Informationen, an die Sie anders nicht herankommen.«
    Katinka seufzte. Es hatte keinen Sinn, ihm weiter aus dem Weg zu gehen. Ich
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