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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf
Autoren: F Schmöe
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Grinsen. Es machte ihn schlagartig jünger. Katinka hatte ihn auf Ende fünfzig geschätzt, doch nun kam er ihr vor wie ein Lausbub mit faltigen Wangen.
    »Grüß Gott, Frau Palfy!« Charlotte Isenstein rauschte herein. »Ich bin am Telefon aufgehalten worden. Setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken?« Ihr Haar sah frisch geföhnt aus und leuchtete mit einem cremefarbenen, sommerlichen Kostüm um die Wette.
    »Gern.«
    Katinka sank in einen Sessel. Sie saß unerwartet bequem. Das Zimmer passte zu ihrer Vorstellung von einem englischen Club. Schwere Vorhänge waren zurückgezogen und ließen das Sonnenlicht hereinfluten. Es spann feine Fäden durch tänzelnde Staubkörnchen und verfing sich zwischen den Löwenkrallen am Schrank. Die Wände waren in Altweiß gestrichen, vielleicht hatte auch der Zigarrenrauch sie gefärbt. Es gab kein Bild, keine Musikanlage, keine Bücher, keinen Fernseher. Hier empfängt die Herrschaft ihre Gäste, dachte Katinka. Gewohnt wird woanders. Sie lehnte sich zurück und beobachtete schweigend das Ehepaar Isenstein. Musterte Charlottes Kostüm und Ewalds Knie. Aus einer Laune heraus half sie den beiden nicht auf die Sprünge, sah einfach zu, wie sie sich Blicke zuwarfen, als wollten sie auf diese Weise ausfechten, wer die Getränke holen ginge. Schließlich ging Charlotte hinaus. Ihr Mann setzte sich Katinka gegenüber und blinzelte ihr zu.
    »Wir warten besser mit dem Schlückchen«, sagte er und wies mit dem Kinn zum Schrank. »Meine Frau mag es nicht, wenn am helllichten Tag Alkohol getrunken wird.«
    Er lächelte strahlend. In seinem zerknitterten T-Shirt und den kurzen Hosen, den nackten Füßen in ausgetretenen Sandalen passte er nicht recht zwischen den Löwenfußschrank und den Kupfertisch. Außerdem harmonierte sein Lächeln so gar nicht mit der angespannten Miene seiner Frau. Sie kam mit einem Tablett zurück und deponierte drei Gläser und eine Flasche Apfelsaft auf dem Tisch.
    »Wir haben Sie hergebeten, weil wir ein etwas delikates Problem haben.«
    Sie schenkte die Gläser voll. Katinka nickte. Alle ihre Klienten hatten delikate Probleme, nichts für die beste Freundin oder die Kummerkastentante.
    »Gewiss haben Sie von dem tödlichen Unfall in Königsberg gehört?« Als Charlotte Isenstein Katinkas verdutztes Gesicht sah, lächelte sie. »Nicht in Ostpreußen. Königsberg in Unterfranken, das sich selbst ›Königsberg in Bayern‹ nennt.«
    Katinka kramte in ihrem Gedächtnis. Dass Kaliningrad gemeint sein könnte, wäre ihr sowieso nicht in den Sinn gekommen. Doch das fränkische Königsberg kannte sie nur dem Namen nach, obwohl es kaum dreißig Autominuten entfernt war. Und von einem tödlichen Unfall hatte sie erst recht nichts mitbekommen.
    »Davon weiß ich nichts«, sagte sie ehrlich und beschloss, gleich nachher bei Hardo oder Sabine nachzufragen. »Würden Sie mich kurz ins Bild setzen?«
    Sie warf einen Blick auf Ewald. Er bewegte versonnen die Zehen.
    »Es ist knapp zwei Wochen her. Eine junge Frau wurde am frühen Abend in Königsberg von der Reichsburg gestürzt. Sie brach sich den Hals und war sofort tot.«
    Katinka fröstelte. Sie selbst war während der Ermittlungen in einem früheren Fall von dem Mörder, den sie gejagt hatte, über die Mauerbrüstung der Bamberger Altenburg gestoßen worden. Nur durch Zufall oder Fügung hatte sie sich an einem Wasserspeier einen halben Meter tiefer halten können, bis Hilfe kam.
    »Sie wurde gestoßen?«, fragte Katinka schnell nach.
    »Lesen Sie keine Zeitung? Im Fränkischen Tag stand ein großer Artikel.«
    Das wäre ein gefundenes Fressen für Britta, dachte Katinka. Ihre Freundin arbeitete als Redakteurin bei ebendieser Zeitung und beschwerte sich regelmäßig mehrmals im Monat, dass Katinka kaum mehr als die Schlagzeilen las.
    »Mord oder Selbstmord?«, wollte Katinka wissen und beobachtete Ewald, der mit einem beiläufigen Lächeln zwischen ihr und seiner Frau hin- und herblickte.
    »Unklar. Sie haben sicher bessere Kontakte als die von der Zeitung. Egal. Mein Mann bekam jedenfalls zwei Tage nach Erscheinen dieses Artikels einen anonymen Brief. Darin wird er beschuldigt, die Frau über die Mauer gestoßen zu haben.«
    Katinka angelte ihr Notizbuch aus dem Rucksack und fragte:
    »Wann war das genau?«
    Charlotte Isenstein war präzises Antworten gewöhnt.
    »Der Unfall – nennen wir es mal so – geschah am Abend des achten Juni. Der Artikel in der Zeitung erschien am Freitag, also am zehnten. Am Montag
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