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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf
Autoren: F Schmöe
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1. Die Kraft aus der Maschine
    ... daß, sooft ich die Flasche, ja nur dieses Kistchen, worin sie verschlossen, berühre, mich ein unerklärliches inneres Grauen anwandelt ... ¹ 1
     
    Katinka Palfy ließ die Griffe der Maschine los und wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Die Luft im Trainingssaal war stickig. Sie schüttelte die Arme und stand auf, um ihre aktuelle Übungszeit in den Trainingsplan einzutragen. Eine Hand fuhr ihr von hinten durchs Haar und kroch ihre Schultern entlang bis zu den Oberarmen.
    »Gewaltige Muskeln, Frau Detektivin.«
    Sie musste grinsen und entwand sich dem festen Griff ihres Freundes.
    »Lass das. Du lenkst mich ab. Ich habe ein Trainingsprogramm vor mir.«
    Tom biss ihr sanft ins Ohrläppchen.
    »Praktisch, die kurzen Haare. Übrigens, hast du gesehen? Hardo hat bei der Arbeit an seinem Trapezmuskel beinahe das höchstmögliche Gewicht. Dreihundert Pfund.«
    »Wie bitte?«
    Katinka war an der gleichen Maschine gerade mal auf fünfundsechzig Pfund gekommen. Sie ließ Tom stehen und suchte nach Hardo.
    Hauptkommissar Harduin Uttenreuther, genannt Hardo, saß auf dem Bock seiner Lieblingsmaschine, die Oberarme vorschriftsmäßig zwischen die beiden Polster geschoben, und ruderte. Schweißperlen glitzerten wie Morgentau auf seinem vollkommen kahlen Schädel.
    »Wie schaffen Sie das?«, fragte Katinka. Sie betrachtete die Muskeln unter seinem durchgeschwitzten T-Shirt.
    »Training«, murrte Hardo und ruderte ein letztes Mal die Gewichte nach hinten, wartete einige Sekunden, ruderte zurück und setzte sie ab. »Nichts als Training.« Er stand auf und trocknete sich mit einem Handtuch das Gesicht ab.
    »Fertig?« Polizeimeisterin Sabine Kerschensteiner trat neben sie, ihren Trainingsplan unter dem Arm. »Ich gehe duschen.«
    »Das sollten wir alle«, sagte Tom. »Wir stinken wie die Skunks.« Sein Gesicht wurde düster. »Außerdem habe ich heute noch einen Termin. Ich muss um sieben am Bahnhof sein. Möglichst mit gewaschenen Ohren und getrimmtem Scheitel.«
    Hardo zurrte eine Augenbraue hoch. Hätte er Haare gehabt, würde sie den Haaransatz erreichen. Katinka beneidete ihn um die Fähigkeit, die zweite Augenbraue dabei in waagerechter Position zu belassen.
    »Ihre Mutter?«, fragte er.
    »Ja!«, sagte Tom knapp. »Sozusagen.«
    Hardo nickte. Sie standen eine Weile schweigend da, dann löste Katinka ihren Spindschlüssel vom T-Shirt und sagte:
    »Ich gehe schon mal. Bis gleich.«
    Sabine folgte ihr zu den Umkleiden. Katinka sank auf die Bank und streckte die Füße aus. Der Gedanke an den Besuch, der ihr und Tom bevorstand, machte sie kraftlos. Da hilft alles Muskeltraining nichts, dachte sie. Das ist mental. Sabine musterte sie einen Augenblick prüfend, bevor sie ihre Turnschuhe wegschnickste, sich das T-Shirt über den Kopf zog und aus ihren Hosen schlüpfte.
    »Komm schon. Es sind gerade zwei Duschen frei.«
    »Gleich«, murmelte Katinka. Sie fragte sich, warum Sabine Polizistin geworden war und nicht Model.
    »Sorgen?«, fragte Sabine.
    »Diese Sache mit Toms Mutter ...«
    »Seiner leiblichen Mutter?«
    »Genau.« Katinka nickte. »Du kennst doch die Geschichte.«
    »Ja, ich glaube schon.« Sabine hakte ihren BH auf. Katinka machte die Geste verlegen. Schnell redete sie weiter:
    »Sie hat Tom als Baby abgegeben. An seinen Vater. Er war schon mit einer anderen Frau verlobt und brachte Tom quasi als Mitgift in die Ehe. Sie haben Tom nie etwas davon erzählt. Erst, als seine Erzieher-Mutter vor einem knappen Jahr einen Schlaganfall hatte, rückte sein Vater mit der Sprache raus.«
    Sabine zog den Slip aus, warf alles in ihren Spind, schloss ihn ab und schnappte sich ihr Handtuch.
    »Und jetzt hat Tom seine biologische Mutter endlich eingeladen?« Sie wickelte sich das Handtuch um die Brust.
    »Nein. Sie hat sich selbst eingeladen, und Tom hat zugestimmt.«
    »Vielleicht brauchte er den Anstoß. Hattest du nicht gesagt, dass er sich einfach nicht durchringen konnte, Kontakt zu ihr aufzunehmen?«
    Katinka nickte.
    »Er hätte sich selber nicht dazu aufgerafft. Nicht so schnell. Ich habe mich oft gefragt, wie lange er noch warten will.«
    Eine Frau kam mit prall gefüllter Sporttasche in die Umkleide. Katinka fiel ihr leuchtend kastanienrot gefärbtes Haar auf. Hastig nickte sie zur Begrüßung. Sabine warf einen zweifelnden Blick in ihre Richtung.
    »Wie heißt sie eigentlich?«, fragte sie.
    »Wer?«
    »Na, Toms Mutter.«
    »Ella. Halt. Das ist die Frau seines Vaters.« Katinka
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