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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst
Autoren: Craig Russell
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Reise in die Vergangenheit zugänglich wäre.« Wiegand lächelte. Er hatte ein selbstzufriedenes Lächeln aufgesetzt, das Fabel am liebsten mit einer Ohrfeige weggewischt hätte. Statt dessen erwiderte er das Lächeln.
    »Ich finde die ganze Grundlage Ihrer Sekte …«, begann er.
    »Das Pharos-Projekt ist keine Sekte, Herr Fabel. Ich verwahre mich gegen dieses Wort«, unterbrach Wiegand.
    »Ich finde die ganze Grundlage Ihrer Organisation faszinierend«, sagte Fabel. »Und an der Spitze steht der mysteriöse Dominik Korn. Übrigens habe ich ihn gestern angerufen.«
    Wiegand schnaubte. »Und was hat er Ihnen gesagt, Herr Fabel?«
    »Nichts. Er wollte nicht mit mir reden, aber das wissen Sie bestimmt. Ich dachte nur, dass Mister Korn bei all den Schwierigkeiten, die Sie hier in Deutschland haben, vielleicht daran interessiert wäre, mit mir zu sprechen. Aber …« Fabel hob die Schultern.
    »Was mich am Pharos-Projekt besonders fesselt, ist sein zentrales Glaubenssystem«, fuhr Fabel fort. »Dieser Begriff der Singularität – oder der Konsolidierung, wie Sie es nennen –, der die Erlösung für die Umwelt bezeichnen soll. Ich wusste gar nicht, dass es so viele ähnliche Theorien in der Wissenschaft gibt. Manche Quantenphysiker glauben offenbar, dass dies alles eine Simulation und die Realität irgendwo am Rand des Universums verborgen ist. Wenn Sie mich fragen: Das ist dummes Zeug. All das Geschwafel von Singularität oder Omega-Punkt oder Konsolidierung, wie man es auch nennen mag. Aber es gibt labile und teils auch geistesgestörte Menschen, die unbedingt daran glauben wollen. Es ist nichts anderes als die Verheißung eines Lebens nach dem Tode, die die Religionen seit Jahrtausenden verkünden. Die Menschen möchten sich in ihrem Glauben gerechtfertigt sehen, dass mit ihrem gegenwärtigen, verhassten Leben noch nicht alles zu Ende ist. Dass sie noch eine große, alles umgestaltende Wahrheit erwartet. In Ihrem Fall stützt sich alles auf Pseudowissenschaft und Pseudophilosophie. Zu viel Science Fiction und zu wenig gesunder Menschenverstand.«
    »Jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung«, entgegnete Wiegand. »Aber ich sage Ihnen etwas, und das ist die Wahrheit. Ich bin der Überzeugung, dass wir in das nächste große Stadium der menschlichen Evolution eintreten und dass wir selbst dabei die treibende Kraft sein werden, nicht die Natur. Haben Sie je darüber nachgedacht, wie schnell sich die Dinge ändern, Herr Fabel? Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an Ihre Teenagerzeit? Denken Sie an all die Riesenschritte, die wir seitdem gemacht haben – mehr als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Das ist die Große Beschleunigung, Herr Fabel. Nehmen Sie die Unterschiede in der Technik und im Bevölkerungswachstum sagen wir, zwischen 1200 und 1500. Es gab kaum einen Fortschritt in dreihundert Jahren. Und dann betrachten Sie die radikalen Änderungen zwischen 1800 und 1900, als die industrielle Revolution unsere Lebensweise völlig umgestaltete. Danach, im zwanzigsten Jahrhundert, ist es zu unglaublichen technischen Fortschritten und zu einer Bevölkerungsexplosion gekommen. Und dann der Zeitraum zwischen 1975 und heute: ein unvorstellbarer Wandel, der immer schneller wird. Kybernetik, Genetik, Genomik, Nanotechnologie, Femtotechnologie, sogar unser Grundverständnis der Funktionsweise des Universums – wir quetschen nun so viel in ein Jahrzehnt, wie wir früher nur in einem Jahrhundert bewältigen konnten. Bald wird es in fünf Jahre oder nur ein Jahr gepresst werden: wie erwähnt, die Große Beschleunigung.«
    »Lassen Sie mich raten: Nur beim Pharos-Projekt versteht man die eigentliche Bedeutung von alledem«, sagte Fabel. »Nur Ihnen kann zugetraut werden, die Menschheit in die richtige Richtung zu lenken. Wenn das bedeutet, Rachefeldzüge gegen alle zu führen, die Ihre Sekte kritisieren oder sie verlassen, Regierungsorgane zu unterwandern oder sogar kaltblütige Morde zu begehen … dann ist das auch alles gerechtfertigt, nicht wahr?«
    »Wir begehen keine Morde, denn wir sind eine friedliebende Gruppe.« Wiegands Stimme war beherrscht, gleichmäßig. »Aber manchmal hat es in der Tat den Anschein, dass alle anderen nicht wahrnehmen, was sich abspielt. Als Gattung bewegen wir uns unzweifelhaft einem Ziel entgegen. Unserem Schicksal. Nur ist es durchaus möglich, dass viele, bevor wir dieses Ziel erreichen, durch den Schaden, den wir der Umwelt antun, getötet werden.«
    »Und wenn wir es
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