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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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auffälligen Beobachtungen in seinem Revier gemacht habe. Anschließend trottete er zu dem stark bemoosten Sandsteinfindling und las kurz über den Text der Gedenktafel.
    Plötzlich vibrierte sein Handy.
    »Nein, ich kann nicht … Nein, es geht nicht … Nein, wirklich, ich hab keine Zeit.« Die Penetranz der Anruferin war ihm offensichtlich ausgesprochen unangenehm. Er senkte die Stimme, drehte Mertels Kollegen den Rücken zu und stieg ein paar Schritte den Hang hinauf. »Mutter, bitte … Nein, ich kann nicht zum Essen kommen.«
    Er befand sich nur noch höchstens zwei Meter von Mertel und Dr. Schönthaler entfernt. Inzwischen waren nicht nur die Kriminaltechniker, sondern auch der Rechtsmediziner auf das Gespräch aufmerksam geworden. Neugierig erhob er sich und schaute hinunter zu seinem Freund.
    Wolfram Tannenberg fing seinen Blick auf. Während Margot weiter auf ihn einredete, rollte er die Augen. »Mutter«, knurrte er genervt, »die Kartäuserklöße kann ich doch auch noch später essen.«
    »›Rostige Ritter‹?« Dr. Schönthaler schmatzte genüsslich. »Die hab ich schon ewig nicht mehr gegessen.« Er machte zwei Schritte auf Tannenberg zu, reckte ihm fordernd einen Arm entgegen. »Wolf, gib mir mal dein Handy.«
    Der Angesprochene war dermaßen verblüfft, dass er ohne Widerspruch gehorchte.
    »Einen wunderschönen guten Tag, liebe Frau Tannenberg«, flötete der Gerichtsmediziner. »Hab ich mich eben verhört oder gibt es bei Ihnen tatsächlich Kartäuserklöße? … So richtig mit Karamellkruste und Vanillesoße?« Ihm lief das Wasser im Munde zusammen. »Ja, natürlich, ich komme sehr gerne mit. Es dauert auch nicht mehr lange. Wir sind hier gleich fertig.«
    Er reichte seinem peinlich berührten Freund zwinkernd das Mobiltelefon zurück. Verstohlen blickte sich Tannenberg um. Er war geradezu eingekreist von schadenfroh grinsenden Gesichtern.
    »Mein lieber Wolf, auch wenn es dir noch so schwerfällt, dies zu akzeptieren, aber wir brauchen dich hier jetzt wirklich nicht mehr«, bemerkte Sabrina schmunzelnd. »Fahrt ihr ruhig zu deiner Mutter. Die Kollegen nehmen mich nachher mit in die Stadt.« Sie wies mit dem Arm in Richtung der heulenden Motorsägen. »Aber zuerst statten wir den Waldarbeitern noch einen Besuch ab. Vielleicht hat ja einer von denen irgendetwas beobachtet.«
    Tannenbergs Zögern rief Mertel auf den Plan: »Um es auf den Punkt zu bringen, Wolf: Es wäre sogar eine enorme Erleichterung für unsere Arbeit, wenn du dich jetzt sofort aus dem Staub machen würdest. Du behinderst nämlich massiv unsere Ermittlungsarbeit. Oder muss ich dir erst Platzverbot erteilen?«, wiederholte der Kriminaltechniker diejenigen Worte und Drohungen, mit denen der Leiter des K 1 vor ein paar Minuten Kreilinger bedacht hatte. »Mit deinen riesigen Plattfüßen zertrampelst du uns bloß alle Spuren.«
    »Wolf, ich denke, Karl hat recht. Und ich muss sowieso warten, bis der Leichnam bei mir in der Pathologie auf dem Tisch liegt. Apropos Tisch, besser gesagt Mittagstisch: Ich soll dir einen lieben Gruß von deiner Mutter ausrichten. Sie hat sich bei mir bedankt, dass ich dich überredet habe.« Er schlug seinem alten Freund lachend auf die Schulter. »Die gute Frau hat nämlich Angst, dass ihr liebes Wölfchen im Wald verhungern könnte. Übrigens freut sie sich sehr auf uns. – Und ich mich auf die ›rostigen Ritter‹«, frohlockte Dr. Schönthaler und rieb sich die Hände.
    Sie waren blutverschmiert und steckten noch immer in Latexhandschuhen.

2
    Die Sonne stand fast im Zenit. Ihre energiereiche Wärmestrahlung hatte das Musikerviertel in einen regelrechten Glutofen verwandelt. In Tannenbergs Elternhaus in der Beethovenstraße waren alle Fenster verschlossen, auf der Südseite die Rollläden heruntergelassen. Wegen der hochsommerlichen Hitze herrschte in der Wohnküche bereits vor dem Mittagessen eine südländische Siesta-Atmosphäre – sieht man einmal von Margot Tannenberg ab, die wie stets um diese Tageszeit im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun hatte. Während sie das Essen zubereitete, saßen Ehemann Jacob und ihr ältester Sohn Heiner Zeitung lesend am Küchentisch. Kurt, der vergötterte Familienhund hatte es sich auf dem Fußboden gemütlich gemacht. Lang ausgestreckt lag er auf der Seite und schmiegte den massigen Körper an die kühlenden Fliesen. Seine Augen waren geschlossen, die riesige Zunge hing schlaff über die ausgefransten Lefzen hinweg.
    Nur etwa eine Handbreit
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