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Jagdszenenen aus Niederbayern

Jagdszenenen aus Niederbayern

Titel: Jagdszenenen aus Niederbayern
Autoren: Martin Sperr
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Leute stehen in ihren Sonntagsgewändern und reden und beten und warten auf den Pfarrer und den Bürgermeister.
    Die Metzgerin beschwert sich bei der Zenta, daß die Maria für ihren Ehebruch nur fünf Vaterunser bekommen hat. Ihr hat der Pfarrer sechs gegeben, obwohl sie nur einmal falsches Zeugnis wider deinen Nächsten gehabt hat. Und sonst nichts. Man kann sich nicht einmal mehr auf den Pfarrer verlassen. Beim alten Pfarrer hätte sie höchstens ein Ave Maria bekommen.
    Sie stehen neben der Barbara, die immer noch auf der Bank sitzt. Die Zenta erzählt ganz laut, daß der Peppo aus Aham gestern da war. Und der weiß, daß der Abram im Gefängnis war. Weil er so Sachen gemacht hat mit einem Knecht. In Wendelskirchen. Und der Peppo sagt, die Barbara ist seine Mutter. Barbara erschrickt. Und die Paula soll ihn auch gesehen haben. In Landshut am Mittwoch. An einem Ort, wo solche Männer sind. Das ist einer, der treibts mit Männern. So einer ist das. Und er ist der Sohn von der Barbara, das weiß die Zenta ganz bestimmt.
    Aber die Barbara schüttelt ganz erschrocken den Kopf. Sie gibt nicht zu, daß der Abram ihr Sohn ist. Maria und Volker stehen am Grab vom Schmellerhof. Sie besprechen leise, daß sie vermißt einmeißeln lassen. Auch wenn er für tot erklärt wird. Plötzlich saust der Rovo über die Gräber, über die Blumen, hinter einer Katze her. Maria rennt ihm nach. Sie erwischt ihn und schlägt ihn. Die Leute lachen.
    Rovo setzt sich auf die Friedhofsmauer. Endlich kommen der Pfarrer und der Bürgermeister. Sie sprechen darüber, daß die Orgelreparatur zu teuer ist für die Gemeindekasse. Ein Zuschuß war möglich, aber keinesfalls kann die ganze Reparatur von der Gemeinde finanziert werden. Das alte Gespräch. Der Pfarrer will wissen, wie hoch dieser Zuschuß sein könnte, aber der Bürgermeister gibt ihm eine ausweichende Antwort. Die Leute stellen sich in einer Reihe auf. Der Pfarrer und die Lehrerin bekommen als erste die Sonderzuteilung der Lebensmittelmarken. Georg, der Knecht vom Bürgermeister, hat schnell einen wackligen Tisch aus der Sakristei vor die Bank gestellt. Der Pfarrer sagt zur Lehrerin, daß das »Lobet den Herren« nicht schön war. Alle hören es.
    Georg verteilt die Marken. Es geht langsam vorwärts. Als die Maria unterschreibt, fängt er an zu lachen. Er hört nicht auf damit, bis Maria wissen will, was ist. Beim Abram, ihrem Untermieter, sagt der Georg, da hätt er, der Georg, mehr Chancen als die Maria. Ob ihr das nicht paßt. Ob sie den Abram auch noch fürs Bett will.
    Der Volker fährt Georg an, und der Georg sagt, daß der Volker kein Mann ist, weil er sich von Maria aushalten läßt. Ob ihn die Maria dafür zahlt, daß er mit ihr ins Bett geht.
    Der Volker will auf den Georg losgehen, aber er kann nicht so schnell mit dem Holzbein. Alle lachen.
    Die Maria hat die Marken schon in der Hand und zieht den Volker weg vom Tisch. Die Metzgerin schreit ihnen nach, daß ihr schlecht wird, wenn sie sowas sieht: Eine verheiratete Frau, wo der Mann vermißt ist, und die zwei ledige Männer im Haus hat. Sowas gehört verhaftet. Über den Rovo braucht man sowieso nicht zu reden. Der ist ja blöd. Und der Georg schreit dem Volker nach, daß er als Krüppel Schonzeit hat, sonst hätt ers ihm schon gezeigt.
    Volker, Rovo und Maria gehen langsam. Es gibt nichts zu verbergen.
    Nach und nach leert sich der Friedhof.
    Die Metzgerin geht noch aufs Grab zu ihrem Mann.
    Es ist komisch, wie man sich daran gewöhnt, daß er tot ist.
    Zentas Mann ist schon seit drei Jahren krank mit
    seinem Husten. Tot ist schlimmer, sagt die Metzgerin. Sie hat jetzt eine Metzgerei und weiß nicht, was sie damit anfangen soll.
    So hat jeder seine Sorgen, meint die Zenta. Aus der Wirtschaft hört man schon Gelächter und Singen. Der Friedhof liegt ruhig da.
     
4
     
    Barbara hat das Essen aufgetragen und während die Leute vom Bürgermeister gegessen und geredet haben, hat sie abgespült. Jetzt ist sie fertig mit ihrer Arbeit. Vom Kirchturm schlägt es zweimal. Sie sitzt auf der Bank in der Küche und schaut in den Garten hinaus. Es riecht nach dem Abwaschwasser und nach dem Essen. Barbara hat nichts mehr zu tun. Es ist alles sauber. Sie hat Angst.
    Sie hat dem Bürgermeister noch vor dem Essen gesagt, daß der Abram ihr Sohn ist. Er hat sie nicht danach gefragt.
    Der Bürgermeister hat gesagt, das macht nichts. Aber Barbara glaubt das nicht. Sie weiß schon, warum der Bürgermeister so redet: jemand, der soviel arbeit
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