Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagdszenenen aus Niederbayern

Jagdszenenen aus Niederbayern

Titel: Jagdszenenen aus Niederbayern
Autoren: Martin Sperr
Vom Netzwerk:
denn sie kann nichts zahlen. Und der Volker kann die Maschinen nicht bedienen.
    Der Schmellerbauer war nach dem Bürgermeister der wichtigste Bauer.
    Und Maria ist fest entschlossen, diese Bedeutung ihrem Hof wieder zu verschaffen.
    Der Knocherl geht mit dem Klingelbeutel durch die Reihen und überprüft, wer – wenn ers sehen kann -wieviel gibt. In der Sakristei leert er den Klingelbeutel aus. Es ist nicht viel.
    Bis zum Segen reichts gerade für eine Zigarette. Er geht aus der Sakristei hinaus ins Freie. Er schaut in den Himmel. Wies Wetter wird.
    Sein Wahlspruch ist: Halt dich am Zaun fest, wenn du im Vorgarten stehst, der Himmel ist sehr hoch. Er hat das irgendwo im Krieg aufgeschnappt. Auf der Bank an der Friedhofsmauer sitzt die Barbara. Sie war schon in der Frühmesse. Die Barbara ist eine alte Frau, die beim Bürgermeister arbeitet und wohnt, seit drei Jahren.
    Sie hat für den Bürgermeister und seine Familie das Essen gekocht. Das Dorf riecht nach Schweinsbraten. Es gibt wieder Fleisch. Das ist gut. Sie hört die Gesänge aus der Kirche.
    Knocherl zündet sich eine Zigarette an und setzt sich zu Barbara.
    Er mag sie gern. Eine freundliche, schüchterne Frau, die auch einen Spaß versteht. Eine Frau in seinem Alter. Er spricht darüber, daß die Leute auch im Frieden sterben, und daß Totengräber ein Beruf ist, wo man
    nie arbeitslos wird. Im Krieg ist er im September 41 auf 28 Gräber gekommen. Das war fast jeden Tag ein Grab. Jetzt im Frieden sinds im Durchschnitt zwei Tote im Monat. Aber es reicht zum Leben.
    Der Knocherl bekommt sein Geld als Totengräber pro Grab.
    Je weniger man zu arbeiten hat, desto mehr kommt man zum Denken.
    Das ist der Nachteil, denkt sich die Barbara.
     
    Außer der Barbara und dem Knocherl ist noch die Frau Ingenieur auf dem Friedhof. Sie kommt aus Breslau.
    Sie steht herum, weil der Bürgermeister nach der Messe die Sondermarken verteilen wird. Ihr Sohn Konrad beschwert sich dauernd, daß die anderen Kinder nicht mit ihm spielen, weil er evangelisch ist. Immer wieder erklärt ihm seine Mutter, daß das bald anders wird.
    Ihr Mann hat Arbeit in der Stadt gefunden. Sie ist froh, jetzt wieder in die Stadt zu kommen. Sie ist nicht beliebt bei den Leuten. Die hat im Frühling mit dem Pelzmantel auf dem Feld gearbeitet. Eine Geschichte, die sich in der ganzen Gegend herumgesprochen hat. Und die Flüchtlingsfrau hat es schon aufgegeben, zu erklären, daß der Pelz das einzig Warme ist, was sie noch hat.
    Früher sollen die eine Fabrik besessen haben. Die Leute lachen darüber.
    Drüben in der sowjetisch besetzten Zone wurde der Grundbesitz enteignet, auch die Maschinen und Fabriken. Die Leute freuen sich, daß es aus ist mit dem Besitz der Fabrik.
    Die Glocken läuten den Segen ein. Der Knocherl muß wieder hinein und dem Pfarrer helfen. Sorgfältig hängt er die Meßgewänder auf und stellt die Monstranz weg. Er prüft, ob sie sicher ist vor Dieben. Denn Kirchenraube sind jetzt keine Seltenheit. Die Leute kommen langsam aus der Kirche heraus und gehen zu den Gräbern.
    Der Platz, wo das Kriegerdenkmal aus dem 1. Weltkrieg stand, ist leer. Die Gemeinde hat ein neues Denkmal gekauft. Die Namen der Gefallenen werden noch eingraviert.
    Tonka und Paula gehen zusammen aus der Kirche. Paula hat ein neues Kleid an.
    Seit die Paula in der Fabrik eine Stellung als Bürogehilfin bekommen hat, meint man im Dorf, sie ist übergeschnappt. Sie wirft das Geld, das sie verdient, für Kleider hinaus. Und andere haben nicht mal was zum Leben.
    Sie hat es auch abgelehnt, weiter im Chor mitzusingen.
    Sie sagt, sie ist überlastet. Dabei arbeiten doch alle, soviel sie können.
    Paula singt trotzdem nicht mehr mit. Und Tonka singt falsch.
     
    Der Abram und die Tonka sind heimlich verlobt. Die Paula weiß was über den Abram. Sie erzählt der Tonka, daß der Abram in Landshut gesehen worden ist, an einem Ort, wo nur solche Männer hingehen. Solche, dies mit Männern treiben. Tonka will wissen, was das ist. Die Paula weiß auch nichts Genaues. Und die Tonka glaubt es nicht. Denn der Abram hat ihr gesagt, daß er sie liebt.
    Paula sagt, daß die Tonka das Kind vom Abram wegmachen lassen soll. Sie weiß einen guten Arzt, und der ist auch nicht teuer. Aber Tonka will nicht.
    Jetzt versteht sie, warum die Leute sie so komisch anreden in letzter Zeit. Die Paula ist aber die einzige, die das vom Kind weiß. Die Leute reden also über den Abram. Darüber reden die Leute. Aber Tonka glaubt es nicht.
     
    Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher