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Jagdszenenen aus Niederbayern

Jagdszenenen aus Niederbayern

Titel: Jagdszenenen aus Niederbayern
Autoren: Martin Sperr
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Gruppenmitglieder oder auch für alle verbindlich sind. Wenn ein Mitglied der Gruppe sich nicht so verhält, wie es den Regeln entspricht, muß es mit Unannehmlichkeiten rechnen. Die Zugehörigkeit zur Gruppe ist also verbunden mit gewissen Einschränkungen des Entscheidungs-, Handlungs- und Entfaltungsspielraumes der einzelnen Mitglieder.
    Dieser Nachteil muß wohl in Kauf genommen werden, da bisher noch keine Gruppe auf einen gewissen Bestand an Regeln verzichten konnte, in denen die Beziehungen zwischen ihren Mitgliedern in irgendeiner Weise festgelegt waren. Ohne solche Regelungen wüßte der Einzelne oft nicht, was er von anderen zu erwarten hat, er wüßte auch selten, wie er sich selbst verhalten soll, und wäre damit einer ständigen Unsicherheit und Ratlosigkeit ausgesetzt, in der er einen Großteil seiner Kräfte verbrauchen würde. Ohne eine Ordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen wäre auch das Zusammenwirken mehrerer Personen zur Lösung größerer Aufgaben nicht möglich. Die Basis für künstlerische, wissenschaftliche, technische, wirtschaftliche Entwicklungen, für Kultur überhaupt, wäre nicht gegeben.
    Wünschenswert erscheint eine Ordnung, die jedem Gruppenmitglied ein Höchstmaß an befriedigenden menschlichen Beziehungen, an Selbstentfaltung und Bedürfnisbefriedigung ermöglicht. Man sollte den Wert einer Ordnung daran messen, wie weit sie diesen Zweck erfüllt und sich hüten, sie als Selbstzweck oder unabänderlich gegebenes zu betrachten und zu konservieren.
    Zwangsmaßnahmen gegen Ordnungsverletzer sollten ein Mindestmaß nicht überschreiten, das zur Ordnungssicherung nachweislich erforderlich ist; bestimmte Eingriffe in Rechte des Ordnungsverletzers sollte man grundsätzlich vermeiden – so z. B. körperliche Schädigung, entwürdigende Behandlung und ähnliches.
    Ordnungen, die wegen Veränderung der äußeren Umstände oder einer veränderten Zielsetzung und Bedürfnisse der Gruppenmitglieder unzweckmäßig geworden sind, sollten durch andere ersetzt oder abgeschafft werden. Im Lauf der Geschichte eines Staats ist es immer wieder nötig, daß einer Veränderung der äußeren Gegebenheiten – etwa durch technische Neuerungen – eine Änderung von Gesetzen folgt.
    Ein aktuelles Beispiel ist die neue Straßenverkehrsordnung. Durch Vereinheitlichung der Regelungen im EWG-Bereich wird die Abwicklung des Güterverkehrs und des Massentourismus erleichtert. Man darf in diesem Falle allerdings nicht annehmen, daß der Gesetzgeber in erster Linie den vielen Millionen Menschen in den EWG-Staaten zu mehr Bequemlichkeit und Freude am Reisen verhelfen wollte. Zwar sind eine Steigerung der Bequemlichkeit und der Freude am Reisen beabsichtigt, doch nicht als Selbstzweck, sondern weil die Reiselust und damit die Bereitschaft erhöht wird, für Reisen Geld auszugeben. Dadurch steigen die Gewinne der Mineralölgesellschaften, Autoproduzenten, Hotelkonzerne und anderer wirtschaftlich mächtiger Gruppen, die so Hauptnutznießer der gesetzlichen Neuerungen werden. Damit in einer Gruppenordnung die oben genannten Forderungen verwirklicht werden können, muß die Mehrzahl der Gruppenmitglieder eine Reihe von persönlichen Voraussetzungen mitbringen oder entwickeln. Wichtig ist die Bereitschaft, anderen Menschen Vertrauen entgegenzubringen und gegenüber Fremdartigem, Andersartigem, Unbekanntem aufgeschlossen zu sein. Man muß erkennen, daß Vielfalt die Chance von Anregungen für den Einzelnen und von schöpferischen Entwicklungen in der Gruppe vergrößert. Die meisten Gruppenmitglieder sollten auch in der Lage sein, die eigenen Interessen, Bedürfnisse und Ziele zu erkennen, anzuerkennen und zu äußern. Das ist der erste Schritt zu dem Versuch einer Einigung, die den Wünschen aller Beteiligten soweit wie möglich gerecht wird. Schließlich ist es von grundlegender Bedeutung, daß sich der Einzelne für die Rechte der anderen verantwortlich fühlt und zu deren Verteidigung bereit ist. Ohne dieses Verantwortungsgefühl für die Rechte aller, sind die Rechte des Einzelnen kaum ausreichend zu sichern. In Sperrs Reinöd herrschen Verhältnisse, die sich kraß von dem unterscheiden, was ich hier als wünschenswert dargestellt habe. Unter den Dorfbewohnern fehlen Gefühle von Verantwortlichkeit, der grundsätzlichen Solidarität und des gegenseitigen Wohlwollens fast völlig. Die meisten versuchen sich so gut wie möglich durchzubringen und leidlich die geltenden Regeln einzuhalten, um nicht ins Gerede
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