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Jagdhaus in Der Eifel

Titel: Jagdhaus in Der Eifel
Autoren: Georg R. Kristan
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Personalreferent Dr. Dederichs, Bürodirektor Karl Runge, einige andere Referatsleiter und Frau Wenge für das Protokoll.
    Sicherheitsreferent Dr. Rimberger, Volljurist mit Prädikatsexamen wie einige andere auch, aber von besonders metalliger Struktur, hatte den Vorsitz. Er eröffnete die Sitzung.
    »Meine Herren! Sie kennen die Lage. Die Sekretärin vom A-L zwo ist verschwunden. Der Staatssekretär, die Sicherheitsdienste, Kanzler und Innenminister sind informiert. Telex zum Minister ist abgeschickt. Die Chefs erwarten weiteren Bericht. Ich habe in dieser Sache sämtliche Vollmachten der Leitung. Sind alle ›Geheim‹ ermächtigt?«
    Sein Blick glitt über die Anwesenden. Bestätigendes Kopfnicken. Ein kritisch prüfender Rundblick. Dr. Rimberger kannte sie alle genau und wußte auch ohne die routinemäßige Eröffnungsfrage, woran er war. Das waren Topleute mit hoher Verantwortung, aber auch jeder mit seinem Privatleben. Jetzt saßen sie etwas weniger selbstbewußt vor ihm. Schließlich fehlte die Sekretärin ihres Chefs und manche hatten irgendeine Beziehung zu ihr, dienstlich oder privat.
    Auch die nächste Frage war nur rhetorischer Art: »War Fräulein Fournier ›V.S. ermächtigt?« An die im Ministerium eingeführte Formel »Frau« auch für unverheiratete Damen konnte Dr. Rimberger sich nicht gewöhnen. Natürlich war sie es. Wer wußte das besser als er, schließlich hatte er sie verpflichtet und über den Umgang mit Verschlußsachen belehrt.
    »Mir sollte sie nur ihre Panzerkiste aufsperren. Ich muß Sir Henrik in der Chefgruppe vertreten, und die Europäer wollen wieder denken. Alle Unterlagen sind im Panzerschrank, und die Fournier hat den Schlüssel und kennt die Kombination«, sagte Ministerialdirigent Semper. »Können Sie da auch ran, Kollege Rimberger? Ich will an die Papiere und nicht an unseren Schmetterling – der ist ja wohl ausgeflogen. Jetzt sitzt er vielleicht schon an den Honigtöpfen im Stasi-Land. Eine süße Vorstellung für A-L zwo und für Sie, Herr Nattinger.« Im Kollegenkreis unterblieb die Anrede mit dem Doktortitel. »Safety first – honey last.«
    »Vielleicht ist das Schränkchen ganz leer«, frotzelte Semper weiter. »No paper, no Europe, no safety – nix mehr Sicherheit – alles kaputt.«
     
     
    Sempers Gerede ging Dr. Rimberger auf die Nerven. Aber einem Unterabteilungsleiter konnte man – auch als Sicherheitsreferent – nicht so einfach in die Parade fahren. Bald würde Semper ohnehin im Ruhestand sein und Nattinger sein Nachfolger.
    »Wir haben keinen zweiten Schlüssel. Den Panzerschrank darf es eigentlich gar nicht mehr geben. Die Verschlußsachen sind gemäß Verfügung des Herrn Staatssekretärs alle zentral in der V.S.-Registratur zu verwalten. Das gepanzerte Monstrum wird also immer noch illegal benutzt, weil man Wege sparen will. Wir stellen gerade fest, welche Vorgänge im Geschäftsgang sind, und was im Schrank ist oder war. Das wird der Abteilungsleiter zu verantworten haben. Ich habe Herrn Staatssekretär gebeten, Ministerialdirektor Aston aus dem Urlaub zurückzurufen. Die Fernschreiben sind bereits unterwegs.«
    »Nun mal sachte, so fix geht das nicht, die Algarve liegt nicht in der Eifel«, warf Semper ein.
    »Das ist kein Problem, Herr Semper, die Geographie ist bekannt. Wir haben einen langen Arm, wenn es um die Sicherheit geht. Unser NATO-Stützpunkt in Portugal wird vom Corona-Jet der Flugbereitschaft angeflogen. Die Jungs sind immer bereit und schnell. Das Soldatenministerium leistet gern Amtshilfe. Kosten gehen zu Lasten unseres Etats. Bei der Verrechnung sind sie genau.«
    »Was Stasi nicht alles möglich macht«, wunderte sich Hans Semper. »Mit dem Urlauberjet kostenlos zurück. Sir Henrik wird entzückt sein, Frau Gemahlin auch – oder muß die allein in die Heimat zurücktrampen? Und heftig klopft ein Hypertoniker-Herz – Chef im Anflug –, volle Deckung!«
    Diese Art von Humor war nun wirklich deplaziert. Betretenes Schweigen.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie die Runde etwas auflockern möchten«, durchbrach Dr. Rimberger mit distanzierender Stimme die Stille. »Die Kriminalpolizei und die Bundesanwaltschaft werden alsbald jeden von uns zur Sache und zur Person der Fournier hören. Selbstverständlich auch zu den privaten Beziehungen, die sicherlich noch über das hinausgehen dürften, was hier im Hause bekannt ist.«
    Die Vereisungsgefahr war sichtbar gewachsen, ebenso die Statur des Sicherheitsreferenten.
    »Wir klären die Dinge nur vor.
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