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Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Titel: Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Autoren: Jocelynn Drake
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weil ich ihm mit etwas weitaus Schrecklicherem drohte als mit einem qualvollen Tod.
    „Wir sind noch nicht fertig miteinander", sagte er und umklammerte sein gebrochenes Handgelenk. „Da hast du recht. Wir sind noch lange nicht fertig miteinander, aber für heute ist die Party vorbei", erklärte ich. „Ich bin nicht hergekommen, um dich zu töten." „Was du nicht sagst."
    Er verzog den Mund zu einem spröden Lächeln. „Diesmal nicht."
    „Denk immer daran, dass es eine Sache zwischen dir und mir ist. Wenn du dich an einem anderen Nachtwandler vergreifst, bist du schneller tot, als du gucken kannst!" Ich ließ meine Arme sinken und drehte die Handflächen in seine Richtung, und schon fielen kleine Flammen wie Wassertropfen von meinen Fingern.
    Sie sammelten sich zu meinen Füßen, dann schössen sie wie lebendige Wesen in alle Richtungen und breiteten sich rasch im ganzen Raum aus. Ich bemerkte, dass Danaus mich beobachtete, doch ich konzentrierte mich mit zusammengekniffenen Augen auf das Feuer, das bereits den Fußboden erfasst hatte und sich rasch auf den Vorder- und Hintereingang des Hauses zubewegte.
    Ich schenkte ihm noch ein letztes Lächeln, dann sprang ich aus dem Fenster in den Garten. Ich joggte über den Rasen und drehte mich erst um, als ich die Straße erreichte. Das Haus stand lichterloh in Flammen. Ich wusste, dass er es überleben würde. So leicht starben Männer wie Danaus nicht. Ich war fast versucht zu warten, bis er aus dem Haus gelaufen kam, aber dafür war keine Zeit. Die Nacht war nicht mehr die Jüngste, und ich musste mich stärken, um das Blut zu ersetzen, das ich seinetwegen verloren hatte. Den Jäger konnte ich auch noch ein andermal erledigen.

2
    In meinen über sechshundert Lebensjahren habe ich Königreiche entstehen und untergehen sehen, die Entdeckung neuer Länder und Völker und grausame Taten von Menschen, die selbst mir das Blut in den Adern gefrieren ließen. Doch ich muss sagen, von allen Jahrhunderten ist mir das einundzwanzigste bei weitem das liebste. Heutzutage können die Leute ihre Vergangenheit und ihr Erscheinungsbild abstreifen wie eine Schlange ihre Haut. Die Welt hat eine neue farbenprächtige Fassade erhalten, die einfach vor das alte Antlitz gesetzt wurde und Himmel und Erde verdeckt.
    Heute muss ich nicht mehr stundenlang von Dächern Ausschau halten und meinen Opfern in dunklen Gassen nachstellen. Verlorene Seelen sind inzwischen so zahlreich wie Gänseblümchen auf einer Wiese und warten nur darauf, von mir erlöst zu werden. Mit leerem Blick und gebrochenem Herzen sehen sie erwartungsvoll zu mir auf, als wäre ich ihr rettender Engel. Ich trete in ihr Leben und erlöse sie kurzerhand von einer Existenz, die kein Ziel und keine Bedeutung hat.
    Um die überwältigende Leere in ihrem Inneren zu überwinden, besinnen sich diese armen Menschen wieder auf das Primitive. In dunklen Ecken und geheimen Clubs reißen sie sich die Maske der Zivilisation vom Gesicht und feiern ein Fest für die Sinne. Im neuen Zeitalter der Dekadenz ertrinken diese Kreaturen förmlich in einer Flut von Empfindungen und schwelgen in neuen Geschmacksempfindungen und Gerüchen. Mein Favorit ist allerdings der Tastsinn. Ganz egal, wohin ich gehe, überall scheinen sich mir Hände entgegenzustrecken, die berühren, streicheln und liebkosen wollen.
    Nachdem wir uns jahrhundertelang von Kopf bis Fuß bedeckt haben, ist die Kleidung inzwischen zusammengeschrumpft und zu einer Art zweiter Haut geworden. Und ich habe noch nie ein Volk gesehen, das so fasziniert von Leder ist. Dieses wundervolle Material wird heute so vielseitig verarbeitet, dass es jeden Zentimeter des Körpers, wahlweise aber auch nur das Allernötigste bedecken kann.
    Als ich bei Sonnenuntergang erwachte, beschloss ich, eins meiner Lieblingslokale unweit des Flusses aufzusuchen. The Docks war ein Nachtclub, den man in einem alten, leer stehenden Gebäude eingerichtet hatte.
    Ich schlenderte durch die Straßen der Stadt und genoss die warme Sommerluft. Es war ein Freitagabend Ende Juli, und das ganze Viertel war voller Leben. Während ich mich zwischen den Menschentrauben hindurch schlängelte, die sich vor den Eingängen der zahlreichen Vergnügungsstätten bildeten, lauschte ich dem Klappern meiner Absätze auf dem rissigen, schmutzigen Gehsteig, wie es von den Backsteingebäuden links und rechts der Straße widerhallte.
    Statt an der nächsten Ecke Richtung Norden abzubiegen, blieb ich stehen, denn ich spürte einen
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