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Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Titel: Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Autoren: Jocelynn Drake
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hohen Eisenzaun eingefasst, der an der von zwei Steinsäulen flankierten Einfahrt endete. Ich saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der linken Säule und wartete auf ihn. Das subtile Pulsieren meiner Kräfte war wie ein Signal, das mein Körper aussendete. Ich wollte, dass Danaus meiner Fährte folgte, wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln gefolgt waren, und mich fand.
    Danaus blieb stehen, als er den Rand des Grundstücks zu meiner Linken erreichte, und starrte mich an. Was ich tat, war ziemlich frech und vielleicht sogar etwas übertrieben, aber ich wollte nicht, dass er zu selbstbewusst wurde. In dieser Nacht sollte er für sein Blut arbeiten.
    Mit einem Lächeln sprang ich lässig von der Säule herunter und tauchte in dem überwucherten Vorgarten ab, sauste schattengleich auf die Rückseite des Hauses und verschwand in einem offenen Fenster im ersten Stock.
    Während ich in dem ehemaligen Kinderzimmer wartete, lauschte ich. Mein Magen zog sich in gespannter Erwartung zusammen, und mein Körper kribbelte vor Erregung, denn ich hatte nur selten Gelegenheit, mich mit jemandem zu messen, der fähig war, mich zu vernichten. Ich hatte bereits zahlreiche menschliche Jäger getötet, aber sie waren keine echte Herausforderung gewesen: Hilflos hatten sie mit ihren silbernen Kreuzen herumgefuchtelt und zu einem Gott gebetet, auf den sie sich erst in ihrer Schicksalsstunde wieder besonnen hatten. Nach so vielen Jahrhunderten hatte ich nur noch sehr wenige Möglichkeiten, echten Nervenkitzel zu erleben, einen Kampf auf Messers Schneide, und mich - wenn auch nur flüchtig - daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte, lebendig zu sein.
    Danaus würde meinem Gedächtnis sicher auf die Sprünge helfen.
    Dieser Jäger war anders. Er war nicht menschlicher als ich. Sein Körper war nur eine Hülle, der es kaum gelang, die Macht zu halten, die ihm aus allen Poren zu quellen schien.
    Als ich hörte, wie im Erdgeschoss die Haustür aufflog und gegen die Wand knallte, lächelte ich. Er wusste, dass ich auf ihn wartete. Ich ging in das angrenzende Schlafzimmer, und das Echo meiner Schritte auf dem harten Dielenboden hallte durch das leere Haus. Nun wusste er ganz genau, wo ich war.
    Ruhig, Mira!, ermahnte ich mich. Nur nichts überstürzen! Du hast ihn nicht über einen Monat verfolgt, um ihm dann mir nichts, dir nichts das Genick zu brechen.
    Nein, ich wollte seinem Vernichtungsfeldzug ein Ende bereiten und diesen Moment ganz bewusst genießen.
    Als ich das große Zimmer betrat, tappte ich lautlos in die gegenüberliegende Ecke, hüllte mich in die Dunkelheit wie in einen Mantel und wurde eins mit ihr. Immer wieder knarrte und ächzte es hier und da in dem alten Haus. Es schien ebenso gespannt zu warten wie ich.
    Endlich erschien Danaus in der Tür. Seine Schultern waren so breit, dass sie beinahe den Rahmen streiften.
    Ich blieb noch einen Moment regungslos stehen und erfreute mich an dem langsamen, gleichmäßigen Heben und Senken seiner Brust. Er war völlig ruhig. Und er war groß, bestimmt eins fünfundachtzig. Er hatte rabenschwarzes wirres Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, hohe Wangenknochen und ein markantes Kinn. Seinen schwarzen Mantel hatte er inzwischen abgelegt, und er hielt einen Dolch mit einer etwa fünfzehn Zentimeter langen silbernen Klinge in der rechten Hand.
    „Du bist also der, den man Danaus nennt", sagte ich, ohne aus der schützenden Dunkelheit hervorzukommen. Er schaute ruckartig in meine Richtung, und seine Augen verengten sich zu blauen Schlitzen. „Du sollst Jabari im alten Theben getötet haben."
    Nun löste ich mich aus der dunklen Ecke und durchschritt den Raum, sodass er mich zum ersten Mal richtig sehen konnte. In dem gedämpften Licht, das durch die Fenster in den Raum fiel, schimmerte meine bleiche Haut wie weißer Marmor. Ich kam ihm nicht zu nah, um ihm die Möglichkeit zu geben, mich zu taxieren.
    „Aber Valerio in Wien hast du nicht geschafft", sagte ich nicht ohne eine gewisse Neugier. „Und in Sankt Petersburg wartet noch Yuri auf dich, dabei ist er nicht einmal halb so alt wie Jabari."
    „Das hat Zeit." Seine Stimme kam einem kehligen Knurren gleich. Ich stutzte und musterte ihn argwöhnisch. Ich konnte seinen Akzent nicht richtig einordnen, und im Lauf meines Lebens hatte ich schon viele gehört. Er war alt, sehr alt. Zwar nicht so alt wie Jabaris ägyptischer Einschlag, doch er stammte aus längst vergangenen Zeiten. Das gab mir zu denken, aber zunächst
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