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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Oliver Bottini
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Mannes, die im strömenden Regen verschwammen, ansonsten keine Menschenseele. Keine Hundehalter, keine Betrunkenen, nicht einmal Wohnsitzlose verirrten sich hierher.
    Ein fast leerer Parkplatz, ein hellerleuchtetes Wächterhäuschen. Ein trauriger Ort, dachte Louise Bonì, im zufriedenen Freiburg.
    In den zwanzig Minuten, seit sie ihn beobachtete, hatte sich der uniformierte Wachmann kaum einmal bewegt. Niemand war gekommen, niemand fortgefahren.
    Nachtschicht in St. Georgen.
    Vor einer Viertelstunde hatte er zum Handy gegriffen und gewählt, und sie hatte sich gefragt, wen er wohl anrief. Ein kurzes Gespräch, vier, fünf Minuten lang, dann hatte er das Telefon zur Seite gelegt.
    Sie schaltete die Zündung ein, und die in die Radiofront integrierten Leuchtdioden sprangen an. Viele Tasten und Rädchen für ein wenig Musik. Viele winzige Symbole. Zu klein für die Augen einer Vierundvierzigjährigen.
    Sie drückte und drehte hier und dort. Als nichts geschah, stellte sie die Zündung ab. Nach Jahren mal wieder ein neues Auto, das ging eben nicht ohne Reibungsverluste. Ein fabrikneuer Peugeot, der durchdringend nach Kunststoff roch, bezahlt von einem unangenehmen Bayern mit Gutsherrenart, dem es am Ende fünfzehntausend Euro wert gewesen war, dass endlich auch sie ihre Wohnung in der Gartenstraße verließ, damit saniert werden konnte.
    Ihr Blick fiel auf die leuchtenden Ziffern der Digitaluhr. Viertel vor zwölf, noch fünfzehn Minuten. Ein merkwürdiges Kribbeln lief ihr durch Arme und Beine. Die Moleküle waren wieder unterwegs.
    Sie lehnte sich zurück. Vieles war neu im Sommer 2005 – Auto, Wohnung, Lebenslust. Ein Mann, mit dem man es durchaus probieren konnte.
    In dieser Reihenfolge, das war sie sich schuldig.
    Eigentlich, dachte sie, war das Leben momentan ganz in Ordnung. Abgesehen von all dem Neuen ein Sommer nach Maß – heiße Tage, nachts abkühlende Gewitter. Keine Rückfallgefahr. Keine schwerwiegenden Straftaten – Brandstiftung in Littenweiler, eine ausgeräumte Villa, eine verschwundene Studentin, die sich, wie es schien, nur eine Auszeit gönnte. Nichts, das dazu angetan wäre, die Abgründe in ihr wieder zu öffnen.
    Sie zog das Foto der Studentin aus der Akte, die auf dem Beifahrersitz lag. Nadine Rohmueller, gepflegtes, auf eine kindliche Weise hübsches Gesicht, das eher nach Schülerin aussah als nach Studentin. Halblanges kastanienbraunes Haar, beneidenswert volle Lippen. Ein Hauch Verwöhntheit und vielleicht Hochmut in den Augen. Reiche Bonner Familie, das Geld floss, ohne dass die Tochter mehr tun musste, als zum Geldautomaten zu gehen. Amerikanistik, Germanistik und Psychologie im sechsten Semester, mittelmäßige Zensuren, jetzt hat es ihr halt gereicht, hatte eine Freundin gesagt, Lust hat sie schon lange nicht mehr gehabt.
    Louise blätterte in den Unterlagen.
    Am Vormittag hatten die Eltern angerufen. Die Tochter war seit drei Tagen nicht erreichbar, Professoren und Kommilitonen hatten sie seit Freitag nicht gesehen. Für morgen Mittag wurde der Vater erwartet. Sie würden mit ihm in die Wohnung gehen. Eine Eigentumswohnung, natürlich, drei Zimmer mit Wohnküche in der Wintererstraße in Herdern, damit die Tochter nicht durch Wohngemeinschaften in Versuchung geriet, am Leben zu schnuppern.
    Nun war sie offenbar doch ausgebrochen.
    Louise warf einen Blick auf den Wachmann. Reglos starrte er in die Dunkelheit jenseits der Fensterscheibe. Was sah man da? Tel Aviv, Priština, Sarajewo?
    Jahrelang Kripo, dann Auslandseinsätze in Krisenregionen. Jetzt ein Blechverschlag in Freiburg-St. Georgen …
    Und doch, es war ein Job. Irgendwann begann der Dienst, irgendwann endete er. Dazwischen lagen neun Stunden, in denen man wusste, dass man gebraucht wurde, wenn auch nur, um einen fast leeren Parkplatz in der Dunkelheit zu bewachen.
    Es war ein Anfang.
    Sie wandte sich wieder den Unterlagen zu. Florida, wette ich, hatte die Freundin gesagt. Nadine verehrt Jack Kerouac.
    Und der wohnt da?, hatte Thomas Ilic gefragt.
    Der ist da begraben, hatte die Freundin gesagt. In Saint Petersburg.
    Saint Petersburg in Florida, hatte Thomas Ilic notiert.
    Louise lächelte. Auch das war neu – Illi war seit ein paar Wochen wieder im Dienst. Noch ein wenig unbeholfen, medikamentenblass und still, aber er war wieder da.
    Amerikanischer Schriftsteller, 1922–1969, hatte er notiert.
    Karin, eine Kommissarsanwärterin, kümmerte sich um Mietwagenfirmen, Fluggesellschaften, Bahn. Nadine besaß ein Auto, aber man
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