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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Oliver Bottini
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Gelegenheit nutzen würde.

    Draußen dämmerte es bereits. Eddie ertappte sich dabei, dass er nach seinem Vater Ausschau hielt, während er durch die stillen Straßen des Ortes fuhr. Aber er sah ihn nicht.
    Als er das Feld erreichte, blieb er stehen. Die Scheune war vor dem dunklen Wald kaum zu erkennen. Für einen kurzen Moment glaubte er, einen Lichtschein zu sehen, der sich dort, wo die Scheune stand, bewegte. Doch er hatte sich getäuscht. Da war kein Licht.
    Er fuhr auf den Feldweg. Im hohen Gras rauschte der Wind, in der Ferne war ein Automotor zu hören. Die Krähen schienen fort zu sein, oder sie verbargen sich schweigend im Schutz der Dämmerung.
    Wolken zogen auf, plötzlich herrschte Dunkelheit.
    Erst als Eddie vom Rad stieg, wurde ihm klar, dass ein Flügel des Scheunentors offen stand. Er stieß das Rad von sich. Auf dem Weg zum Tor trat er auf das Brett, und er bückte sich und stellte fest, dass es nicht zerbrochen war. Das Tor war von außen geöffnet worden.
    Sekundenlang starrte er auf den Eingang. Drinnen war es noch dunkler als draußen. Geräusche waren nicht zu hören. Er dachte an das Licht, das er von weitem in der Scheune gesehen zu haben glaubte. Aber da war kein Licht.
    Schließlich ging er hinein. Dunkelheit umfing ihn, doch er war so oft hier gewesen, dass er sich blind zurechtgefunden hätte.
    Er trat zur gegenüberliegenden Wand. Die Frau war fort. Der Geruch von Urin stieg ihm in die Nase, und er dachte, dass sie sich angepisst hatte. Langsam ging er die Rückwand ab, dann die eine Seite, die Front, die andere Seite, und schließlich durchquerte er die Scheune zwei-, dreimal im Zickzack. Nach ein paar Minuten war er davon überzeugt, dass die Frau nicht mehr hier war. Er überlegte, ob er sie draußen suchen sollte. Doch wenn jemand gekommen war und sie mitgenommen hatte, würde er sie nicht finden.
    Er wandte sich dem Eingang zu und hielt erschrocken inne. Vor dem bläulichen Schimmer der Nacht zeichnete sich der Körper eines Menschen ab. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und auf seinen Armen bildete sich Gänsehaut. Aber er blieb ruhig.
    Zu groß für die Frau, dachte er. Zu schmal für Dennis.
    In jedem Fall ein Mann.
    Sein Vater?
    Ohne ein Geräusch zu verursachen, ging er in die Knie. Er hatte keine Angst, und das machte ihn zufrieden. Die Scheune war sein Reich. Und er wusste, dass ihn der Mann nicht sehen konnte.
    Aber er musste das Fahrrad gesehen haben.
    »Komm raus«, sagte eine freundliche, tiefe Stimme, die er noch nie gehört hatte. Dann war der Mann verschwunden.
    Eddie rührte sich nicht. Er dachte, dass dies der merkwürdigste Tag seines Lebens war. Ein Tag, an dem vieles geschehen war und irgendwie zugleich auch nichts.
    Er schlich sich zum Tor und warf einen Blick nach draußen. Der Mann stand neben seinem Fahrrad. Er trug Jeans und Lederjacke, wirkte massig und alt. »Komm«, sagte er und winkte ihn mit einer Hand zu sich. Eine knappe Geste, in der trotzdem Vertrautheit lag. Auch die Stimme klang vertrauenswürdig. Die Stimme eines alten, müden, sanften Mannes.
    »Na, komm«, sagte der Mann, und Eddie trat vor die Scheune. Er sah den Mann nicken. »Wie heißt du?«
    Eddie hob nur die Brauen.
    Der Mann strich sich über die Augen. In der Jeans und der Lederjacke wirkte er beinahe wie ein Bulle. »Du hast sie gesehen?«
    »Wen?«
    Der Mann deutete in Richtung Scheune.
    »Ach so«, sagte Eddie. »Ja. Jeden Tag.«
    Der Mann verstand nicht gleich. Dann lächelte er, aber er sagte nichts. Schweigend sahen sie sich an.
    »Und wie heißen Sie ?«, fragte Eddie.
    »Willie Reimer.«
    Willie, dachte Eddie und kicherte. Willie und Eddie. »Sind Sie ein Bulle?«
    Der Mann lächelte wieder. »Kripo.« Er hielt etwas in die Höhe, das in der Dunkelheit wie ein Ausweis aussah.
    Eddie grinste. Willie – falls er wirklich so hieß – musste ihn für reichlich dumm halten. »Und was tun Sie hier?«
    Willie deutete erneut in Richtung Scheune, und Eddie nickte und sagte: »Wollen Sie sie kaufen?«
    Wieder verstand Willie nicht sofort. Dann sagte er: »Ich habe das Blut gesehen.«
    »Ist von den Hunden und Katzen.«
    Willie erwiderte nichts. Reglos stand er da und wartete.
    »Die Kinder aus dem Ort erschlagen sie da drin.«
    »Ja«, sagte Willie.
    Eddie fragte sich, ob Willie die Frau so zugerichtet hatte. Wie er dort stand – müde, sanft, gemütlich –, traute man es ihm nicht zu.
    »Hast du sie weggebracht?«
    »Die Hunde und Katzen?«
    Da sagte eine andere Männerstimme
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