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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Oliver Bottini
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begann wieder zu rasen. Gestern das erste Halbfinale. Die Deutschen hatten gut gespielt, aber die Brasilianer hatten gewonnen. Mit dem Schlusspfiff war sein Vater aufgesprungen und hatte zugeschlagen.
    »Mama macht Gulasch.«
    »Okay.«
    Eddie setzte sich zurück, nahm einen Schluck Ganter, und für einen Moment war er beinahe zufrieden. Fußball schauen, Bier trinken, rauchen und aus riesigen Suppentellern Gulasch essen. Später würde er wieder herkommen und zusehen, wie es Nacht wurde, und dann würde er durch den Fluss ans französische Ufer schwimmen.

    Eine Weile saßen sie da, beobachteten vereinzelte Kanufahrer auf dem Wasser, sagten nichts. Der Moment der Zufriedenheit war verflogen. Die Wunde brannte, und der Hass war wieder da. Das Tor von Adriano. Die Wut seines Vaters, der teilnahmslose Blick seiner Mutter.
    Heute Morgen erst die üblichen Knüffe, Schubsereien, Drohungen. Dann hatte sein Vater zu lachen begonnen, was hat’n der im Gesicht, ist der aus’m Bett gefallen? Seine Mutter hatte gesagt: Lach doch, Eddie, ist doch lustig, und sein Vater hatte gesagt: Schau dir dem seine Schmollfresse an, und nicht aufgehört zu lachen. Eddie war zur Tür gegangen, hatte sich umgedreht und gesagt: Eines Tages kill ich dich. Da hatte sein Vater nicht mehr gelacht.
    »Ich fahr dann«, sagte Dennis.
    Eddie nickte.
    »Kommst du mit in den Ort?«
    »Ich bleib noch.«
    »Wenn du willst, lass ich dir ein Bier da.«
    »Okay. Hast du Zigaretten?«
    Dennis öffnete ein weiteres Ganter. »Sind alle«, sagte er. Sein Blick war merkwürdig, und Eddie fragte sich, was er dachte.
    »Du kannst mit zu mir kommen, wenn du willst.«
    Eddie schüttelte den Kopf.
    »Dann bis später.«
    »Okay.«
    Er hörte, wie Dennis oben am Weg auf das Rad stieg. Ein Furz, ein Rülpser, ein Quietschen, dann entfernten sich die Geräusche. Er hob das Bier an die Lippen, schloss die Augen, trank. Er wusste jetzt, was Dennis gedacht hatte, und er hasste ihn dafür. Dennis hatte Mitleid gehabt, und Mitleid hatte man nur mit den Schwachen.

    Sein Vater schien auf ihn zu warten. Er saß im schmalen Vorgarten auf einem Stuhl, eine Bierflasche in Reichweite, den schwarzen Cowboyhut tief ins Gesicht gezogen. Er saß so, dass Eddie nicht ins Haus kommen würde, ohne ihn zu berühren.
    Dann hörte Eddie Schnarchgeräusche, und er dachte, dass er Glück hatte.
    Er ging am Zaun entlang um das Haus herum, bis er den faustgroßen, fast runden Stein fand, den er vor Monaten hierher gelegt hatte. Er wischte die Erde ab, rieb den Stein an seiner Hose sauber, damit er ihm nicht aus der Hand gleiten würde. Den Stein in der Rechten, ging er zum Gartentor zurück. Der Stein fühlte sich kühl und beruhigend an, so kühl und beruhigend wie das Wasser des Rheins. Er dachte, dass der Stein genau wie der Rhein für ihn gemacht war.
    Am Gartentor blieb er stehen und musterte seinen Vater. Er trug Shorts und Unterhemd, sodass die muskulösen Arme und Beine zu sehen waren. Eddie presste die Finger um den Stein. Wichtig war nur, beim ersten Mal so fest wie möglich zuzuschlagen. Dann würde er es schon schaffen, selbst wenn sein Vater danach versuchen würde, sich zu wehren.
    Eine Bewegung an einem der Fenster im ersten Stock ließ ihn aufblicken. Der weiße Vorhang war zugezogen, doch er sah den Schatten seiner Mutter dahinter. Sie stand reglos da, das Gesicht in seine Richtung gewandt. Dann hob sie eine Hand und krallte sie in den Vorhang. Dann stand sie wieder reglos da.
    Eddie machte ein paar Schritte auf seinen Vater zu. Sein Herz raste, und der Hass pochte in seinem Kopf. Erneut blieb er stehen und schaute zu seiner Mutter hoch. Dort, wo ihre Hand den Vorhang hielt, war der Stoff verdreht.
    Sein Vater gab im Schlaf ein leises, tiefes Schweinegrunzen von sich, und Eddie wandte sich ihm wieder zu. Er dachte, dass sein Vater so sterben würde, wie es zu ihm passte. Grunzend wie ein Schwein.
    Er ging weiter. Wieder hörte er das Grunzen, doch dann begriff er, dass sein Vater erwacht war und dass er nicht im Schlaf grunzte, sondern weil er die Augen geöffnet und den Stein gesehen hatte. In diesem Moment hob er den Kopf leicht, und Eddie konnte seine Augen unter der Hutkrempe sehen. Erwartungsvoll und voller Verachtung blickten sie ihn an. Komm, sagten sie. Versuch es.
    Eddie blieb stehen. Plötzlich wusste er, dass sein Vater genau wie er auf die richtige Gelegenheit gewartet hatte.
    Jetzt war sie da. Endlich, sagten die Augen, und Eddie dachte, dass er verloren und dass
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