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Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Oliver Bottini
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wusste ja nie.
    Der Wecker ihres Handys begann zu fiepen. Mitternacht. Sie strich sich die Lippen nach, griff nach dem Regenschirm und der Papiertüte und stieg aus.

    »Hey«, sagte sie.
    Ben Liebermann lächelte. »Hey.«
    »Mittagessen.« Sie reichte ihm die Papiertüte durch den Ausschnitt der Glasscheibe.
    Er öffnete sie. Eine Käsesemmel, eine Salamisemmel, wie immer eben. Sie zuckte die Achseln. »Wag es, dich zu beschweren.«
    Er lachte, schloss die Tüte, stand auf. »Gehen wir ein paar Schritte?«
    Ein Kuss, dann hakte man sich unter. Sie fand das alles immer noch ein wenig seltsam, und Ben Liebermann ging es wohl ebenso. Außer Übung, alle beide. Aber die Moleküle sprangen wie wild hin und her.
    Am Rand des Parkplatzes entlang gingen sie im Rechteck durch die Dunkelheit. Um sie herum prasselte und trommelte der Regen, unter ihren Füßen platschten Pfützen. Als sie die Hälfte des Weges hinter sich hatten, sagte sie: »Du hast telefoniert.«
    »Ja.«
    Sie wartete. Davor hatte sie sich am meisten gefürchtet – Schatten der Vergangenheit. Ben Liebermann hatte in Hamburg, Köln, Berlin, Freiburg gelebt, ganz zu schweigen von Tel Aviv, Priština, Sarajewo. Da gab es vermutlich jede Menge Schatten.
    Ganz zu schweigen davon, dass er zweimal verheiratet gewesen war. Irgendwo gab es zwei Frauen, die Jahre mit ihm verbracht hatten. Ihn kannten, wie sie ihn vielleicht nie kennen würde. Ihn an Orten erlebt hatten, an die sie nie mit ihm kommen würde.
    Sie hatten noch nicht über Vergangenheiten gesprochen, doch das würde kommen, irgendwann. Dann würde sie ihm auch erzählen, weshalb sie noch lange nicht vertrauen konnte und nach nächtlichen Telefonaten fragte. Würde ihm von Mick erzählen, der mit einer gutgläubigen Hauptkommissarin verheiratet gewesen war und ihr Vertrauen dutzendfach missbraucht hatte.
    »Ein Freund im Innenministerium. Ich will wissen, warum sie mich nicht nehmen.«
    Sie nickte.
    Ben Liebermann hatte sich bei der Landespolizeidirektion Freiburg beworben. Möglichst Kripo Freiburg, aber er wäre überallhin gegangen, selbst in einen Dorfposten im Hochschwarzwald. Wilderer jagen statt bosnische Kriegsverbrecher.
    Kein Bedarf, hatte die LPD nach Wochen geantwortet.
    Im Grunde wussten sie, weshalb. Ben Liebermann war im Mai 2004 aus dem Dienst ausgestiegen, und einen, der freiwillig gegangen war, wollte man nicht wiederhaben.
    Schweigend kehrten sie zu dem Wächterhäuschen zurück, drehten die Runde noch einmal.
    Immerhin, kein Schatten aus dem Vorleben. Nur die Dunkelheit der Nacht.

    Um halb eins war sie zu Hause und riss die Fenster auf. Das neue Auto roch nach Kunststoff, die neue Wohnung nach Lack.
    Und der neue Mann?
    Sie stieg in die Dusche. Nach Zino Davidoff, Zigaretten, Sorgen, Schatten und womöglich, irgendwann einmal, nach Schmerz.
    Aber auch ein wenig nach Perspektive.
    Sie wusch sich die Haare. Auch das ein seltsames Bedürfnis: nach all den Jahren wollte sie wieder schön und weiblich sein. Wollte sich schön anziehen, schöne Dinge kaufen. Wollte sich schön und weiblich fühlen.
    Gefahr im Verzug. Sie nahm sich vor aufzupassen.
    Unter dem Wasserstrahl dachte sie wieder an Nadine Rohmueller. Die Aussage der Freundin deutete darauf hin, dass sie sich für ein paar Wochen oder Monate Abenteuer ins Ausland abgesetzt hatte. Reiche, gelangweilte Tochter, die von Studium und sorglosem Leben die Nase voll hatte.
    Aber vielleicht wollte Louise es nur so sehen. Es passte ins Bild. Jung, reich, schön, gelangweilt, gedankenlos. Eines Morgens wacht sie auf und will nicht mehr gelangweilt sein. Die Welt steht ihr doch offen. Warum nicht mal ans Grab von Jack Kerouac in Saint Petersburg/Florida pilgern statt immer nur nach Saint-Tropez?
    Von keinem ihrer diversen Konten hatte Nadine seit Samstagnachmittag Geld abgehoben. Die letzte Kontobewegung: 16 Uhr 34, Geldautomat Deutsche Bank, Kaiser-Joseph-Straße 262 – dreihundert Euro. Keine Transaktionen in den vergangenen Monaten, die auf eine Reise hinwiesen.
    Das konnte alles und nichts bedeuten.
    Kreditkarte?, hatte Thomas Ilic notiert. Morgen würde ein Wirtschaftsermittler mit den entsprechenden Kontakten ein paar Telefonate führen.
    Als sie vor dem Spiegel stand, drängte sich Ben Liebermann wieder in ihre Gedanken. Sie sah ihn in seinem Wachhäuschen sitzen, in die Dunkelheit starren, Semmeln essen, Käse und Salami wie jede Nacht. Die Haare waren jetzt kurz, inoffizielle Einstellungsbedingung – also, das muss aber ab.
    Wenn
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