Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen
Autoren: Jane Feather
Vom Netzwerk:
Erschütterung ihren Blick verdunkelte. Ohne ein weiteres Wort ließ er sie stehen, und die Tür schwang verloren hinter ihm zu.
    Annabel blieb eine Weile ruhig stehen. Wenn Akbar Khan ihre Seele noch immer im Griff hatte, dann wurde es langsam Zeit, das zu erkennen … und sich daraus zu lösen. Sein Griff hatte das Kind zur Frau geformt, es hatte Abhängigkeit gegeben und Angst und Zuneigung – ein mächtiges Netz. Aber Kit hatte recht. Sie mußte jetzt aufrecht stehen, den Menschen, der in diesem Netz gefangen war, befreien und Annabel gestatten, sie selbst zu werden … ihrem tiefsten Ich erlauben, frei zu sein.
    Sie bürstete ihre Haare und ging zurück in den Garten, wo Akbar Khans Stellvertreter noch immer auf sie wartete. »Ich bin bereit.«
    Kit stand im Schatten eines Wacholderbaums und sah, wie sie aus dem Garten ging mit dieser schwingenden Anmut, die er vom ersten Moment an geliebt hatte, ihre Haarflut glänzte im Sonnenlicht, Kopf und Rücken gereckt. Würde er gewinnen?
    Mohammed Shah Khan öffnete die Tür zu dem Audienzzimmer, ein luxuriöser Raum mit Seidenteppichen, Wandbehängen und gepolsterten Ottomanen. Akbar Khan saß auf einem Diwan unter dem offenen Fenster. Den hellen, blauen Augen entging keine Einzelheit, als sie langsam mit hoch erhobenem, unverschleiertem Haupt durch den Raum auf ihn zukam.
    »Mandeh nabashi, Akbar Khan.«
    »Salaamat bashi, Ayesha.«
    »Du siehst mitgenommen aus«, sagte sie sanft.
    »Ich bin müde«, antwortete er. »Aber was ist mit dir? Gelingt es dir, auf dem Seil zu tanzen, im tiefsten Inneren zu ihnen zu gehören und doch nicht eine von ihnen zu sein?«
    »Ich bin eine von ihnen«, sagte sie.
    »Ah.« Er strich sich über den Bart. »Hast du das Glück gefunden mit Ralston, Huzoor?«
    »Soweit es möglich ist, in dieser Unsicherheit Glück zu finden«, antwortete sie ehrlich, sich zu seinen Füßen vor dem Diwan niederlassend, als sei es das Natürlichste der Welt, und das war es auch.
    »Die Briten wollen in voller Stärke von Kandahar und Jalalabad nach Kabul marschieren«, sagte er. »Es wird bald vorbei sein. Wir haben Shah Soojahs Sohn aus Kabul ausgewiesen, und die britischen Marionetten sind nicht mehr an der Macht. Ich nehme an, es wird zu Verhandlungen in Kabul kommen … Verhandlungen, die schließlich die Briten zum Verlassen dieses Landes bringen müssen.« Ein Lächeln machte sich auf seinem Mund breit. »Sie werden wahrscheinlich versuchen, uns irgendeine Vergeltung abzupressen, bevor sie nachgeben.«
    »Was soll mit uns geschehen?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich habe nicht den Wunsch, irgendeinem von ihnen etwas zuleide zu tun. Ob sie gerettet oder ausgeliefert werden, bleibt sich gleich.«
    »Du sagst ›sie‹«, begann sie zögernd. »Was wird aus mir werden?«
    »Ach, Ayesha, das war ein Rückfall in alte Gewohnheiten, die nur schwer zu überwinden sind«, erklärte er. »Du gehörst nicht zu mir. Aber ich sage dir etwas.« Er faßte sie unters Kinn und hob ihr Gesicht: »Zu den Feringhees wirst du auch nie wirklich gehören.«
    »Also muß ich meinen eigenen Platz finden.«
    Er nickte. »›Mal eine Plauderei zwischen dir und mir -‹«
    »›Und dann sind nimmer wir‹«, beendete sie den Vers und erhob sich mutig. »Ist das der Abschied?«
    »Ja, Ayesha. Erinnere dich der Worte Omar Chajjams. Sie werden dir helfen, deinen eigenen Platz zu finden.«
    Sie schied von ihm, mit einem harten, traurigen Knoten im Hals, doch endlich gewiß, daß sie jetzt frei und ungehindert war, die Vergangenheit in ihr versenkt, ein Teil ihres Ichs, aber ohne sie zu hindern.
    Statt in den Zenana zurückzukehren ging sie hinunter zum Fluß. Er floß über große Felsen, die weiß durch das klare Wasser schimmerten. Goldgelbe Butterblumen hoben sich im Moos des riedgrasbewachsenen Ufers ab. Es war niemand in der Nähe, und wahrscheinlich hätte es ihr auch nichts bedeutet. Sie öffnete ihre Sandalen, schlüpfte aus Chalvar und Jacke und wand ihr Haar in einem lockeren Knoten auf dem Kopf zusammen, bevor sie in den Fluß watete.
    Sie hatte sich auf die Kälte des Wassers eingestellt. Der Fluß kam aus den Bergen, und auch die Sommersonne erreichte nicht mehr, als nur das Eis an seiner Oberfläche zu schmelzen. Dennoch konnte sie einen kleinen Aufschrei nicht unterdrücken, und Kit, der ihr in diskretem Abstand gefolgt war, lachte leise trotz seiner Nöte, die ihn getrieben hatten, sich vor dem Audienzzimmer im Schatten zu verbergen und ihr heimlich hierher zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher