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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper
Autoren: Lee Child
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schienen nicht imstande zu sein, eine Waffe zu halten. Reacher stieß ihn den Flur entlang. Rückwärts in die Küche. An den Herd. Das Pfeifen des Teekessels war ohrenbetäubend laut. Reacher drehte die Gasflamme mit der linken Hand ab. Dann schleppte er den Zec mit sich in das Wohnzimmer zurück. Das Pfeifen hinter ihnen erstarb wie eine abgeschaltete Luftschutzsirene. Im Haus wurde es wieder still.
    »Das Spiel ist aus«, sagte Reacher. »Sie haben verloren.«
    »Es ist nie aus«, widersprach der Zec. Seine Stimme war heiser, tief, guttural.
    »Diesmal schon«, entgegnete Reacher. Er hielt den Smith & Wesson fest unters Kinn des Zec gedrückt. Zu tief und zu nahe, als dass der Alte ihn hätte sehen können. Jetzt zog er den Hammer zurück. Langsam, ganz langsam. Bewusst laut. Klick-klick-klick-knirsch. Ein unverkennbares Geräusch.
    »Ich bin achtzig Jahre alt«, sagte der Zec.
    »Mir ist es egal, ob Sie hundert sind«, erklärte Reacher. »Ich lege Sie trotzdem um.«
    »Idiot«, antwortete der Zec. »Damit meine ich, dass ich Schlimmeres als Sie überlebt habe. Lange vor Ihrer Geburt.«
    »Niemand ist schlimmer als ich.«
    »Sie schmeicheln sich. Sie sind nichts.«
    »Glauben Sie?«, fragte Reacher. »Heute haben Sie noch gelebt, und morgen sind Sie nicht mehr hier. Nach achtzig Jahren. Das macht mich zu etwas, finden Sie nicht auch?«
    Keine Antwort.
    »Wissen Sie, wann ich Geburtstag habe?«, wollte Reacher wissen.
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Im Oktober. Wissen Sie, an welchem Tag?«
    »Natürlich nicht.«
    »Sie werden’s auf schlimmste Weise erfahren. Ich zähle in Gedanken. Sobald ich meinen Geburtstag erreiche, drücke ich ab.«
    Reacher begann in Gedanken zu zählen. Erster, Zweiter … Er beobachtete die Augen des Zec. Fünfter, Sechster, Siebter, Achter … Keine Reaktion. Zehnter, Elfter, Zwölfter …
    »Was wollen Sie?«, fragte der Zec.
    Zeit für Verhandlungen.
    »Mit Ihnen reden«, antwortete Reacher.
    »Reden?«
    »Ich war bei zwölf«, sagte Reacher. »So lange haben Sie durchgehalten. Dann haben Sie aufgegeben. Wissen Sie, warum? Weil Sie überleben wollen. Das ist der stärkste Instinkt, den Sie besitzen. Offensichtlich. Denn wie wären Sie sonst so alt geworden? Er ist vermutlich stärker, als ich je begreifen werde. Ein Reflex, eine Gewohnheit, den Würfel rollen lassen, unbedingt am Leben bleiben, den nächsten Zug wagen, die nächste Chance ergreifen. Das liegt in Ihrer DNA. Es ist, was Sie sind.«
    »Und?«
    »Und jetzt haben wir’s mit einem Wettbewerb zu tun. Was Sie sind, gegen das, was ich bin.«
    »Was sind Sie?«
    »Ich bin der Kerl, der gerade Tschenko aus einem Fenster im zweiten Stock geworfen hat. Nachdem er Wladimir mit bloßen Händen erdrückt hat. Weil mir nicht gefällt, was sie Unschuldigen angetan haben. Also müssen Sie jetzt Ihren starken Überlebenstrieb gegen meinen starken Wunsch einsetzen, Ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen und in das Einschussloch zu pissen.«
    Keine Antwort.
    »Ein Schuss«, fuhr Reacher fort. »In den Kopf. Lichter aus. Sie haben die Wahl. Ein weiterer Tag, eine weitere Chance. Oder eben nicht. Je nachdem, wofür Sie sich entscheiden.«
    Er sah Berechnung im Blick des Alten. Beurteilung, Einschätzung, Spekulation.
    »Ich kann Sie die Treppe hinunterwerfen«, sagte er. »Sie könnten hinkriechen und sich Wladimir ansehen. Ich habe ihm die Kehle durchgeschnitten. Nur so zum Spaß. Sokolow und Linsky habe ich auch erledigt. Das bin ich. Glauben Sie also nicht, dass ich nicht meine, was ich sage. Ich tu’s – und schlafe trotzdem für den Rest meines Lebens wie ein Baby.«
    »Was wollen Sie?«, fragte der Zec wieder.
    »Hilfe bei einem Problem.«
    »Bei welchem?«
    »Ich will einen unschuldigen Mann aus dem Gefängnis holen. Deshalb müssen Sie einem Kriminalbeamten namens Emerson die Wahrheit sagen. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Sie müssen aussagen, dass Tschenko die fünf Leute erschossen und Wladimir das Mädchen ermordet hat. Und wer am Tod von Ted Archer schuld ist. Und was Sie sonst noch so alles verbrochen haben. Ausführlich und in voller Länge. Auch wie Linsky und Sie alles geplant haben.«
    Ein Flackern im Blick des Alten. »Zwecklos. Ich bekäme die Todesstrafe.«
    »Ja, die kriegen Sie«, sagte Reacher. »Das steht einwandfrei fest. Aber Sie würden morgen noch leben. Und übermorgen und überübermorgen. Das Berufungsverfahren dauert hierzulande ewig. Manchmal zehn Jahre. Vielleicht haben
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