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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
Autoren: Lee Child
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würden sie sich einen stilleren Ort aussuchen. Solche gab es hier reichlich. Abseits der Duval Street, vor allem nach Norden zu, wird es rasch ruhiger, Key West ist eine Kleinstadt. Ein kurzer Spaziergang nur - und schon befindet man sich in den Vororten, wie Reacher sie bezeichnete, in denen er in winzigen Gärten hinter winzigen Häusern Gräben für Swimmingpools aushob. Die Straßenbeleuchtung wird spärlich, und der Lärm aus den Bars geht im Summen von Nachtinsekten unter. Die schalen Gerüche von Bier und Rauch werden durch den schweren Duft tropischer Pflanzen überlagert, die in den Gärten blühen und verrotten.
    Er beschrieb eine Art Spirale durchs Dunkel, bog an Straßenecken scheinbar willkürlich ab und durchstreifte ruhige Wohngebiete. Nirgends ein Mensch zu sehen. Trotzdem hielt er sich in der Straßenmitte. Lauerte jemand in einem Hauseingang, sollte er ein paar Meter zurücklegen müssen, um ihn zu erreichen. Dass jemand auf ihn schießen könnte, fürchtete er nicht. Die Kerle waren unbewaffnet. Das hatten ihre Anzüge gezeigt. Zu eng geschnitten, um Pistolen verbergen zu können. Die Anzüge bewiesen außerdem, dass die beiden eilig nach Süden gekommen, dass sie geflogen waren. Und es war nahezu unmöglich, mit einer Pistole in der Tasche an Bord eines Flugzeugs zu gehen.
    Nach ungefähr einer Meile gab Reacher auf. Die Stadt war klein, aber trotzdem groß genug, dass zwei Kerle darin untertauchen konnten. Er bog am Friedhof links ab und ging in Richtung Duval Street zurück. Auf dem Gehsteig vor dem Maschendrahtzaun lag ein Kerl. Ausgestreckt und bewegungslos. In Key West kein ungewöhnlicher Anblick, aber hier stimmte etwas nicht. Und irgendetwas kam Reacher bekannt vor. Was nicht stimmte, war der rechte Arm des Mannes. Er lag unnatürlich verdreht unter seinem Körper. Was Reacher bekannt vorkam, war das beige Sakko. Die obere Hälfte des Kerls war hell, die untere dunkel. Beiges Sakko, graue Hose. Reacher blieb stehen, sah sich um. Trat näher heran. Beugte sich hinunter.
    Der Mann war Costello. Sein Gesicht war zu Brei geschlagen. Eine blutige Maske. Über das Dreieck aus bläulich weißer Städterhaut, das in seinem offenen Hemdkragen zu sehen war, liefen angetrocknete braune Rinnsale. Reacher tastete nach dem Puls hinter Costellos Ohr. Nichts. Er berührte die Haut mit seinem Handrücken. Kühl. Noch keine Totenstarre, aber die Nacht war heiß. Der Mann war schätzungsweise seit einer Stunde tot.
    Reacher griff in das Sakko. Die prallvolle Geldbörse war verschwunden. Dann sah er die Hände. Die Fingerspitzen waren abgeschnitten. Alle zehn fehlten. Rasche, saubere Schnitte mit einem sehr scharfen Werkzeug. Nicht mit einem Skalpell, sondern mit einer breiteren Klinge. Vielleicht mit einem Teppichmesser.

2
    »Das war meine Schuld«, sagte Reacher.
    Crystal schüttelte den Kopf.
    »Du hast ihn nicht umgebracht«, meinte sie.
    Dann musterte sie ihn scharf. »Oder doch?«
    »Ich bin schuld an seinem Tod«, sagte Reacher. »Ist das ein Unterschied?«
    Die Bar hatte um ein Uhr geschlossen, und die beiden saßen nebeneinander vor der leeren Bühne. Die Scheinwerfer waren erloschen, die Musik verstummt. Das einzige Geräusch war das Surren der Klimaanlage.
    »Ich hätt’s ihm sagen sollen«, erklärte Reacher. »Ich hätte einfach sagen sollen: Klar, ich bin Jack Reacher. Dann wüsste ich jetzt, was er von mir gewollt hatte. Er wäre schon wieder über alle Berge, und ich hätte seine Mitteilung trotzdem ignorieren können. Ich wäre nicht schlechter dran, und er würde noch leben.«
    Crystal trug ein weißes T-Shirt. Sonst nichts. Es war ein langes T-Shirt, aber nicht lang genug. Reacher sah sie nicht an.
    »Was kümmert’s dich?«
    Das war eine für die Keys typische Frage. Nicht herzlos, sondern nur verwundert über sein Interesse an einem Fremden aus dem Norden. Er sah sie an.
    »Ich fühle mich dafür verantwortlich«, sagte er.
    »Nein, du fühlst dich schuldig«, entgegnete sie.
    Er nickte.
    »Nun, das solltest du nicht«, sagte sie. »Du hast ihn nicht umgebracht.«
    »Ist das ein Unterschied?«, fragte er wieder.
    »Natürlich ist das einer«, antwortete sie. »Wer war er?«
    »Ein Privatdetektiv«, sagte er. »Auf der Suche nach mir.«
    »Warum?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Keine Ahnung.«
    »Haben diese anderen Kerle zu ihm gehört?«
    »Nein«, sagte er. »Diese anderen Kerle haben ihn ermordet.«
    Sie starrte ihn erschrocken an. »Echt?«
    »Das vermute ich jedenfalls«, sagte
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