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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
Autoren: Lee Child
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legte klickend den ersten Gang ein und fuhr weiter. Folgte dem North Roosevelt Drive. Kontrollierte ihre Anzeigen und bog dann nach links auf den Straßendamm ab. Schaltete die Radarwarner ein. Trat das Gaspedal so durch, dass Reacher in die Lederpolster gedrückt wurde und sich vorkam, als würde er Key West mit einem Düsenjäger verlassen.
    Sie fuhr auf der gesamten Strecke nach Key Largo nie langsamer als hundert Meilen. Reacher genoss die Fahrt. Crystal war eine ausgezeichnete Fahrerin. Sie schaltete mit knappen, flüssigen Bewegungen, ließ den Motor im optimalen Drehzahlbereich röhren, hielt den Wagen in der Mitte der Fahrspur und nutzte in Kurven die Fliehkraft, um sich auf die langen Geraden zu katapultieren. So legten sie eine Meile nach der anderen in rascher Fahrt zurück.
    Dann begannen die Radarwarner zu kreischen, und eine Meile vor ihnen tauchten die Lichter von Key Largo auf. Sie bremste scharf, fuhr langsam durch die Stadt, trat das Gaspedal wieder durch und raste nach Norden auf den dunklen Horizont zu. Eine enge Linkskurve, über die Brücke, aufs amerikanische Festland und auf einer durch den Sumpf gebauten ebenen Straße nach Norden zu der Kleinstadt Homestead.
    Dann scharf rechts auf den Highway, wieder Vollgas. Kurz vor fünf Uhr morgens erreichten sie den Flughafen Miami. Sie hielt vor dem Abfluggebäude und wartete mit laufendem Motor.
    »Nun, danke fürs Mitnehmen«, sagte Reacher.
    Sie lächelte.
    »War mir ein Vergnügen«, meinte sie. »Ehrlich.«
    Er öffnete die Tür, blieb dann aber sitzen und starrte nach vorn.
    »Okay«, sagte er. »Bis bald, denke ich.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, du kommst nicht wieder«, sagte sie. »Kerle wie du kommen nie zurück.«
    Er saß in der Wärme ihres Wagens. Sie beugte sich zu ihm hinüber, schlang einen Arm um seinen Nacken und küsste ihn leidenschaftlich.
    »Mach’s gut, Reacher«, sagte sie. »Ich bin froh, dass ich wenigstens deinen Namen erfahren habe.«
    Er küsste sie ebenfalls, lange und leidenschaftlich.
    »Und wie heißt du?«, fragte er dann.
    »Crystal«, erwiderte sie und lachte.
    Er lachte mit ihr und stemmte sich dann hoch und aus dem Wagen. Sie beugte sich nach rechts und schloss die Tür hinter ihm. Ließ den Motor aufheulen und fuhr davon. Er stand allein am Randstein und sah ihr nach. Sie bog vor einem Hotelbus ab und war nicht mehr zu sehen. Mit ihr verschwanden drei Monate seines Lebens.

    Fünf Uhr morgens, fünfzig Meilen nördlich von New York City: Der Firmenchef lag im Bett, hellwach, und starrte die Zimmerdecke an. Sie war frisch gestrichen. Das ganze Haus war erst vor kurzem frisch gestrichen worden. Er hatte der Malerfirma mehr gezahlt, als die meisten seiner Angestellten im Jahr verdienten. In Wirklichkeit hatte er ihr nichts gezahlt. Er hatte ihre Rechnung über sein Büro laufen lassen, und seine Firma hatte sie bezahlt. Dieser Posten war irgendwo in der Geheimbilanz als Teil ihrer siebenstelligen Aufwendungen für Gebäudeunterhalt versteckt. Eine siebenstellige Zahl auf der Sollseite der Bilanz, die sein Unternehmen in die Tiefe zog, wie eine schwere Fracht ein Schiff, das bereits Schlagseite hat, zum Sinken bringt.
    Er hieß Chester Stone. Auch sein Vater hatte Chester Stone geheißen, genau wie sein Großvater. Sein Großvater hatte die Firma gegründet - damals, als es noch keine Computerbilanzen, sondern ein Hauptbuch gab, in das Eintragungen mit Feder und Tinte gemacht wurden. Im Hauptbuch seines Großvaters hatten auf der Habenseite dicke schwarze Zahlen gestanden. Er war ein Uhrmacher gewesen, der frühzeitig erkannt hatte, welchen Siegeszug der Film antreten würde. Also hatte er seine Erfahrung mit Uhrwerken und komplizierten kleinen Mechanismen dazu benutzt, um einen Filmprojektor zu bauen. Und er hatte sich mit einem Partner zusammengetan, der in Deutschland große Linsen schleifen lassen konnte. Gemeinsam hatten sie den Markt beherrscht und ein Vermögen verdient. Sein Partner war jung und ohne Erben gestorben. Die Filmindustrie hatte von Küste zu Küste floriert. Hunderte von Kinos. Hunderte von Projektoren. Dann Tausende. Dann Zehntausende. Dann der Tonfilm. Dann Cinemascope. Riesige Einträge auf der Habenseite des Hauptbuchs.
    Dann kam das Fernsehen. Überall wurden Filmtheater geschlossen, und die, die überlebten, behielten ihre alten Geräte, bis sie auseinanderfielen. Sein Vater, Chester Stone II, übernahm die Leitung der Firma. Diversifizierte. Erkannte das Potential des
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