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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
Autoren: Lee Child
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Zeiten aufsuchte.
    Der Kerl stand ungefähr einen Meter weit im Inneren des dunklen Raums und wartete blinzelnd darauf, dass seine Augen sich nach dem blendenden Licht der Sonne von Key West ans Dunkel gewöhnten. Es war Juni, Punkt vier Uhr nachmittags im südlichsten Winkel der Vereinigten Staaten. Weit südlicher als der größte Teil der Bahamas. Eine grellweiße Sonne und sengende Hitze. Reacher saß an seinem Tisch im Hintergrund, trank mit kleinen Schlucken Mineralwasser aus einer Plastikflasche und wartete.
    Der Kerl sah sich um. Die Bar war ein niedriger Raum aus verwitterten dunkelbraunen Holzbohlen, Sie sahen aus, als stammten sie von alten, abgewrackten Segelschiffen. An den Wänden hing allerlei nautischer Trödel. Es gab alte Sachen aus Messing und grüne Glaskugeln. Große Stücke alter Netze. Fischnetze, vermutete Reacher, obwohl er in seinem ganzen Leben noch nie einen Fisch gefangen hatte. Oder auf einem Boot gesegelt war. Überlagert wurde alles von zehntausend Visitenkarten, die, mit Reißzwecken befestigt, jeden freien Quadratzentimeter der Wände und sogar des Plafonds bedeckten, Manche von ihnen waren neu, manche waren alt und wellig - Erinnerungen an Unternehmen, die schon vor Jahrzehnten Pleite gemacht hatten.
    Der Kerl trat weiter ins Dunkel hinein und hielt auf die Theke zu. Er war alt. Ungefähr sechzig, mittelgroß, stämmig. Ein Arzt hätte ihn übergewichtig genannt, aber Reacher sah nur einen fitten Mann, der den Zenit seiner Leistungsfähigkeit überschritten und schon eine gewisse Strecke hügelabwärts zurückgelegt hatte. Ein Mann, der den Lauf der Zeit würdevoll hinnahm, ohne großes Theater darum zu machen. Gekleidet war er wie ein Großstädter aus dem Norden, der überraschend in eine heiße Gegend reisen musste. Hellgraue Hose, oben weit, unten eng, zerknittertes beiges Sakko, weißes Oberhemd mit weit offenem Kragen, der an seiner Kehle bläulich weiße Haut sehen ließ, schwarze Socken, Stadtschuhe. New York oder Chicago, vermutete Reacher, vielleicht auch Boston, verbrachte seine Sommer überwiegend in klimatisierten Gebäuden oder Autos. Hatte diese Hose und dieses Sakko irgendwo hinten in seinem Kleiderschrank vergraben, seit er sie vor zwanzig Jahren gekauft hatte, holte sie gelegentlich hervor und verwendete sie zweckdienlich.
    Der Kerl erreichte die Theke, griff in seine Jacke und zog eine Geldbörse heraus. Sie war ein prall gefülltes altes Stück aus feinem schwarzen Leder. Reacher sah, wie der Mann sie mit geübter Bewegung aufklappte und dem Barmann zeigte, wobei er eine halblaute Frage stellte. Der Angesprochene sah weg, als sei er beleidigt worden. Der Kerl steckte seine Geldbörse wieder ein und strich sein schütteres graues Haar auf seiner von Schweiß glänzenden Kopfhaut glatt. Er murmelte noch etwas, und der Barmann holte aus dem Kühlschrank unter der Theke ein Bier hervor. Der Alte hielt sich die kalte Flasche einen Augenblick ans Gesicht, dann nahm er einen langen Zug. Rülpste diskret hinter vorgehaltener Hand und lächelte,
    Reacher tat es ihm gleich, indem er einen großen Schluck Wasser trank. Der fitteste Kerl, den er je gekannt hatte, war ein belgischer Soldat, der schwor, der Schlüssel zu Fitness liege darin, alles zu tun, was, zum Teufel, einem Spaß mache, solange man täglich fünf Liter Mineralwasser trinke. Reacher hatte überschlagen, dass fünf Liter ungefähr eineinviertel Gallonen waren, und da der Belgier ein kleiner, drahtiger Kerl war, nur halb so groß wie er selbst, würde er wohl zwei Gallonen am Tag trinken müssen. Zehn große Flaschen Mineralwasser. Seit seiner Ankunft in der Hitze der Keys hatte er mit dieser Trinkkur begonnen. Für ihn bewährte sie sich ausgezeichnet. Er hatte sich nie besser gefühlt. Jeden Nachmittag saß er um vier Uhr an diesem dunklen Tisch und trank drei Flaschen ungekühltes, stilles Mineralwasser. Jetzt war er so süchtig nach dem Wasser, wie er zuvor nach Kaffee gewesen war.
    Der alte Kerl lehnte seitlich an der Theke, war mit seinem Bier beschäftigt. Suchte den Raum ab. Außer dem Barmann war hier nur Reacher anwesend. Der alte Kerl stieß sich mit der Hüfte von der Theke ab und kam herüber. Schwenkte sein Bier mit einer vagen Geste, die zu fragen schien: Darf ich? Reacher nickte zu dem Stuhl auf der anderen Tischseite hinüber und löste das Kunststoffsiegel seiner dritten Flasche. Der Kerl ließ sich schwer auf den Stuhl fallen, überwältigte ihn geradezu. Er gehörte zu den Leuten, die
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