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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
Autoren: Lee Child
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verschwinde heute Abend.«
    Der Arzt nickte. »Schön, warten wir ab, wie Sie sich in einer Stunde fühlen.«
    Er trat ans Kopfende des Betts und streckte seine Hand nach dem Ventil am unteren Ende eines der Tropfe aus. Verstellte es klickend und schnippte mit dem Zeigefinger gegen den dünnen Schlauch. Beobachtete ihn kurz, nickte und verließ das Zimmer. An der Tür begegnete er Jodie. Sie kam mit einem Mann in einem Leinensakko herein. Er war ungefähr fünfzig, blass und hatte kurz geschnittenes graues Haar. Reacher dachte: Jede Wette, dass dieser Typ aus dem Pentagon kommt.
    »Reacher, das hier ist General Mead«, stellte Jodie den Mann vor.
    »Vom Heeresministerium«, sagte Reacher.
    Der andere sah ihn überrascht an. »Kennen wir uns?«
    Reacher schüttelte den Kopf. »Nein, aber mir war klar, dass jemand von Ihnen vorbeischauen würde, sobald ich wieder auf den Beinen bin.«
    Mead lächelte. »Wir haben praktisch draußen auf dem Flur kampiert. Um es im Klartext zu sagen: Wir möchten, dass Sie über die Sache mit Carl Allen schweigen.«
    »Kommt nicht in Frage«, widersprach Reacher.
    Mead lächelte wieder und wartete. Als erfahrener Bürokrat wusste er, was als Nächstes kommen würde. Im Leben ist nichts umsonst, hatte Leon oft gesagt.
    »Das Ehepaar Hobie«, begann Reacher. »Lassen Sie die beiden erster Klasse nach Washington fliegen, bringen Sie sie in einem Fünfsternehotel unter, zeigen Sie ihnen den Namen ihres Sohns auf dem Denkmal für die in Vietnam Gefallenen, und sorgen Sie dafür, dass sie dabei von einer Horde ständig salutierender Stabsoffiziere begleitet werden. Dann halte ich dicht.«
    Mead nickte.
    »Wird gemacht«, sagte er, stand unaufgefordert auf und verließ den Raum. Jodie setzte sich ans Fußende des Betts.
    »Was ist mit der Polizei?«, fragte Reacher. »Muss ich irgendwelche Fragen beantworten?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Allen war ein Polizistenmörder«, antwortete sie. »Bleibst du in New York, bekommst du vom NYPD dein Leben lang keinen Strafzettel mehr. Das war eindeutig Notwehr, das stellt niemand in Frage.«
    »Was ist mit meiner Pistole? Die war gestohlen.«
    »Nein, sie hat Allen gehört. Du hast sie ihm entrissen. Das hat ein ganzer Raum voller Zeugen beobachtet.«
    Er nickte. Sah wieder die Wolke aus Blut, Knochen und Gehirnmasse, in die Aliens Kopf sich auflöste. Ein ziemlich guter Schuss, dachte er. Schlechtes Licht, Stress, ein Nagel im Kopf, eine Kugel Kaliber 38 in der Brust - und trotzdem genau ins Schwarze. Dann sah er wieder den Haken, der an Jodies Gesicht lag: polierter Stahl auf dem Honigbraun ihres Teints.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
    »Ja, ich bin okay«, erwiderte sie.
    »Bestimmt? Keine Albträume?«
    »Keine. Ich bin schon ein großes Mädchen.«
    Er nickte wieder. Erinnerte sich an seine erste Nacht mit Jodie. Ein großes Mädchen. Das schien Millionen Jahre her zu sein.
    »Aber ist mit dir alles in Ordnung?«, wollte sie wissen.
    »Nach Ansicht des Arztes schon. Er hat mich einen Neandertaler genannt.«
    »Tatsächlich?«
    »Wie sehe ich aus?«
    »Warte, ich zeig’s dir.«
    Sie verschwand in der Toilette und kam mit dem Wandspiegel zurück; rund mit weißem Kunststoffrahmen. Sie stellte ihn auf Reachers Beine. Er hielt ihn mit der rechten Hand fest und betrachtete sich darin. Er war noch immer braun gebrannt. Blaue Augen. Weiße Zähne. Auf seinem kahl geschorenen Schädel war das Haar schon wieder ein wenig nachgewachsen. Die linke Hälfte seines Gesichts war mit Narben übersät. Das Loch in seiner Stirn fiel deshalb kaum auf. Es sah nur röter aus als die anderen Verletzungen, war aber nicht größer als die zwei Zentimeter davon entfernte Narbe, wo sein Bruder Joe ihn bei einem längst vergessenen Kinderstreit mit einer Glasscherbe aufgeritzt hatte. Als er den Spiegel leicht kippte, stellte er fest, dass seine Brust dick mit weißen Binden bandagiert war. Er hatte schätzungsweise zehn bis zwölf Kilo abgenommen und war jetzt wieder bei seinem Normalgewicht von hundert Kilogramm. Er gab Jodie den Spiegel, wollte sich aufsetzen und fühlte sich plötzlich schwindlig.
    »Ich will hier raus«, sagte er.
    »Bist du sicher?«, fragte sie.
    Reacher nickte. Er war sich sicher, doch er fühlte sich sehr müde. Er ließ den Kopf aufs Kissen sinken. Ihm war warm, und das Kissen war weich. Sein Kopf wog plötzlich eine Tonne, und die Nackenmuskeln konnten ihn nicht mehr bewegen. Um ihn herum wurde es dunkel. Er verdrehte die Augen und
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