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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
Autoren: Lee Child
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abdrückte. Letztlich fehlte nur eine Handbreit. Das war alles. Eine kümmerliche Handbreit. Schnell, dachte er, aber nicht schnell genug. Er sah den Hammer des Revolvers nach vorn schlagen, und dann schoss helles Mündungsfeuer aus dem Lauf. Der Schussknall ging völlig in dem gewaltigen Aufprall unter, mit dem die Kugel seine Brust traf. Wie ein Schlag mit einem gigantischen Hammer. Er dröhnte und polterte und betäubte ihn von innen heraus. Aber Reacher spürte keinen Schmerz. Überhaupt keinen. Nur eine riesige kalte Gefühllosigkeit in der Brust und ein Vakuum völliger Ruhe in seinem Kopf. Er dachte einen Augenblick scharf nach und kämpfte darum, auf den Beinen zu bleiben. Hielt sein rechtes Auge lange genug offen, um sich auf die kleine Rußwolke zu konzentrieren, die aus dem Schalldämpfer der Steyr kam, und zu beobachten, wie Aliens Kopf dreieinhalb Meter von ihm entfernt zerplatzte. In der Luft hing eine Wolke aus Blut, Knochen und Gehirnmasse, die sich wie ein feiner Nebel nach allen Seiten ausbreitete. Ist er jetzt tot?, fragte er sich, und erst als er sich Bestimmt! antworten hörte, ließ er sich fallen, stürzte rückwärts in eine regungslose, stille Schwärze.

18
    Er wusste, dass er im Sterben lag, weil Gesichter auf ihn zukamen - Gesichter, die er wiedererkannte. Sie kamen in einem endlos langen Strom, einzeln oder paarweise. Er sah keine Fremden zwischen ihnen. Er hatte gehört, dass es so sein würde. Angeblich sah man sein gesamtes Leben blitzschnell an sich vorüberziehen. Das sagten alle. Also lag er im Sterben.
    Erschienen irgendwann keine Gesichter mehr, war es vermutlich aus mit ihm. Er fragte sich, welches Gesicht er als Letztes sehen würde. Wer entschied darüber? Er war leicht ungehalten, weil er das nicht selbst bestimmen konnte. Und was würde passieren, wenn das letzte Gesicht verschwunden war?
    Aber irgendetwas klappte nicht richtig. Vor ihm tauchte ein Gesicht auf, das er nicht kannte. Dann wurde ihm klar, dass die Army für diese Parade zuständig war. So musste es sein. Nur die Army würde versehentlich jemanden eingliedern, den er noch nie gesehen hatte. Einen völlig Unbekannten, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Er hatte den größten Teil seines Lebens in der Army verbracht. Da war es durchaus angemessen, dass sie auch die Organisation seines Ablebens übernahm. Und ein Fehler war annehmbar. Für die Army normal, sogar akzeptabel.
    Aber dieser Kerl berührte ihn. Packte ihn grob an. Tat ihm weh. Plötzlich wurde ihm klar, dass die Parade vor diesem Kerl geendet hatte. Dieser Kerl gehörte überhaupt nicht zu ihr. Er war erst nach der Parade aufgetaucht. Vielleicht hatte er den Auftrag, ihn zu erledigen. Ja, das war’s. So musste es sein. Dieser Typ war hier, um dafür zu sorgen, dass er plangemäß starb. Die Parade war vorbei, und die Army konnte nicht zulassen, dass er sie überlebte. Wozu sollte sie sich all die Mühe machen, sie zu veranstalten, wenn er sie dann überlebte? Das durfte nicht sein. Das wäre ein grober Verstoß gegen die Vorschriften gewesen. Er versuchte sich daran zu erinnern, wer vor diesem Kerl vorbeigekommen war. Wer war der Vorletzte gewesen, der in Wirklichkeit der Letzte war? Er konnte sich nicht daran erinnern. Er hatte nicht aufgepasst. Er hatte sich davongestohlen und war gestorben, ohne zu wissen, wem das letzte Gesicht in seiner Parade gehört hatte.
    Er war tot, aber er dachte noch immer. War das okay? War dies das Leben nach dem Tod. Das wäre ungeheuerlich gewesen. Er hatte fast neununddreißig Jahre geglaubt, es gebe kein Leben nach dem Tod. Manche Leute hatten ihm zugestimmt, andere widersprochen. Aber er hatte stets auf seiner Überzeugung beharrt. Jetzt befand er sich auf einmal mittendrin. Bald würde jemand auftauchen und ihm hämisch grinsend erklären: Siehst du, ich hab’s dir gesagt. Das hätte er zumindest getan, wenn der Fall umgekehrt gelegen hätte.
    Er sah Jodie Garber. Sie würde es ihm sagen. Nein, das war unmöglich. Sie war nicht tot. Bestimmt konnte einen doch nur eine Tote im Leben nach dem Tod belehren? Das lag auf der Hand. Eine Lebende war nicht im Leben nach dem Tod. Und Jodie Garber gehörte zu den Lebenden. Dafür hatte er gesorgt. Das war der ganze verdammte Zweck der Übung gewesen. Und außerdem wusste er ziemlich sicher, dass er mit Jodie Garber niemals über ein Leben nach dem Tod diskutiert hatte. Oder vielleicht doch? Vielleicht vor vielen Jahren, als sie noch klein gewesen war. Aber das war
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