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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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postiert und spielt einen Defiliermarsch. Hinter ihnen ist der Schützenverein in Stellung gegangen.
    Wir sind umzingelt. Jeder der Männer hält eine klobige Duellpistole mit nach außen gewölbtem Lauf in der Hand. Als die Blasmusik verstummt ist, nimmt der Dirigent seinen Hut ab und ruft: «Dem Brautpaar ganz a guads Eheleben, spendoble Schwiegereltern und imma a Hondbreit Helles in da Mass! Oans, zwoa, schiaßa!»
    Die nächste Salve. Unter den Schützen erkenne ich tatsächlich meinen Vater, er steht neben Knoll. Die beiden ziehen glänzende Colts aus ihren Gürteln und ballern in die Luft wie die Kinder. Daraufhin setzt die Blasmusik erneut ein. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals über das Gedudel freuen würde, aber es klingt im Gegensatz zu den Salutschüssen immerhin melodisch. Roni und ich winken eine Weile, als wären wir das letzte bayerische Königspaar. Dann ziehen wir uns an und eilen hinunter in die Stube.
    Die Wohnung wimmelt nur so von Fremden, Bekannten und Verwandten. Ich sehe sogar ein paar Kellner aus dem Trachtlerhof, die mit vollen und leeren Gläsern hin und her laufen. Da ist ja auch die Standesbeamtin. Sie trägt ein Dirndl, das strahlt wie neu. Auf dem Tisch steht ein riesiger Kessel mit Weißwürsten neben einem Wäschekorb voller Brezn. Ich schaue Roni an.
    «Ist das der engste Familienkreis?»
    «Ein Glücklicher kommt selten allein», sagt sie, greift in den Kessel, fischt sich vier Würste heraus und setzt sich zu der Standesbeamtin. Knoll reicht mir ein Bier.
    «Ich habe mir noch nicht mal die Zähne geputzt», wende ich ein.
    «Des konst mochn, wennst verheirot bist.»
    Regina wuselt aufgeregt zwischen den Gästen herum, verteilt Essen und Getränke. Offenbar ist sie noch aufgeregter als ich.
    «Mein Informant beim bayerischen Gartenverein ist aufgeflogen», flüstert sie mir zu. «Jetzt kann mir keiner mehr verraten, wann die Juroren kommen. Was mache ich bloß, wenn die erst morgen hier sind? Dann muss ich heute Abend eure Tischdeko zurück an die Stiele kleben.»
    «Es wird schon alles gutgehen», beruhige ich sie, obwohl ich mir nach den Pannen der letzten Tage allmählich selbst nicht mehr so sicher bin. An die Hochzeitsrede des Pfarrers will ich lieber gar nicht denken.
    Aber das Wetter ist herrlich. Um halb zehn bittet uns die Standesbeamtin in den Garten. Die ganz schicken Sachen heben Roni und ich uns für die Kirche und die anschließende Feier auf. Jetzt trage ich meinen alten Kordanzug und Roni das Kleid, das ich so an ihr mag.
    Im Garten stehen noch immer die Bierbänke von gestern, auf denen jetzt unsere Verwandten Platz genommen haben. Die Zugangsbeschränkungen für den «engeren Familienkreis» sind aufgehoben – zugunsten eines simpleren Auswahlsystems: Wer es schafft, rechtzeitig anzureisen, ist dabei. Etwa achtzig Mitglieder meiner Sippe haben es geschafft. Der Großteil steht gerade hundert Kilometer vor München im Stau. Die anderen vierzig Gäste sind anscheinend Schaulustige.
    Die Blaskapelle spielt den Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy, Roni und ich nehmen vorn Platz. Und dann geht alles ganz schnell: Die Standesbeamtin hält eine Rede, in der sie kurz auf meine Tiefenwalder Wurzeln, den Umzug nach Bayern und die gesellschaftliche Bedeutung einer standesamtlich geschlossenen Ehe gegenüber der kirchlichen eingeht. Roni und ich erklären, dass wir heiraten wollen, und unterzeichnen die Papiere. Danach setzen unsere Trauzeugen ihre Unterschriften neben unsere, und Roni unterschreibt zum ersten Mal mit meinem Nachnamen. Ein paar Minuten später sind wir verheiratet. Ein wenig kommt es mir vor, als hätte ich gerade ein Haus gekauft oder einen Reisepass beantragt. Kaum zu glauben, aber jetzt freue ich mich doch auf die große Zeremonie in der Kirche.
    Die Gäste sind erwartungsvoll sitzen geblieben. Regina piekt Knoll mit dem Ellbogen in die Seite. Der seufzt vernehmlich und steht von der Bierbank auf.
    «Meine Oide hod gsogt, i soi – Jessas!» Er reibt sich den Fußspann und schaut vorwurfsvoll auf Regina hinunter. Die lächelt unerschütterlich. Knoll setzt erneut an – offenbar soll der große Schweiger eine Rede halten.
    «I ois da Brautvada wui bloß a paar Worte sogn.» Ein Blick zu Regina, dann schaut er Roni und mich an. «I bin aa froh, wie des ois kemma is.» Er wendet sich an die Gäste: «Jetzat saufma des Brautpaar zamm.» Und zuletzt an die Kellner: «Mir kennts no a Hoibe bringa!»
    Dann nickt er Regina zu und setzt sich
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