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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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wieder. Immerhin – das Wesentliche ist gesagt. Die Blaskapelle spielt noch einen Marsch, und nachdem uns die Beamtin die Urkunden ausgehändigt hat, verschwinden die Brautjungfern mit Roni im Haus, um sie umzustylen. Roni drückt mir noch den Brautstrauß in die Hand und bittet mich mit ernstem Blick, gut darauf aufzupassen. Dann zerren ihre Brautjungfern sie ins Ankleidezimmer. Angeblich passt sie plötzlich nicht mehr in ihr Hochzeitskleid und braucht Hilfe – eine Naht muss aufgetrennt werden. Außerdem erfordert die «Hochsteckfrisur» die Anwesenheit möglichst vieler Freundinnen.
    Ich kann mich selbst anziehen. Nur bei den Manschettenknöpfen geht mir Jochen zur Hand. «Alter, wer hat dir denn dieses scharfe Teil angedreht?», fragt er. «John Travolta?»
    «Sagen wir: Olivia Newton-John.»
    Für die Garderobe brauche ich keine fünfzehn Minuten. Jochen schlägt vor, noch einen durchzuziehen, um die Zeit totzuschlagen. Aber ich will nicht beim Jawort laut loskichern oder vor lauter Durst das Taufbecken austrinken. Ich lehne ab. Stattdessen überreiche ich ihm die Trauringe. Er hat sie sich verdient.
    «Soll ich auch den Brautstrauß nehmen?»
    «Von mir aus.»
    Wie schön, dass Jochen sich jetzt um alles kümmert.
    Um zehn Uhr machen sich die ersten Familienmitglieder auf den Weg zur Kirche. Bloß die Juroren sind immer noch nicht da. Regina beschließt, noch eine halbe Stunde auf sie zu warten. Meine Eltern, Knoll, Jochen und ich sollen ruhig vorausgehen. Roni will lieber mit dem Auto fahren – getrennt von mir. Die Tradition verlangt anscheinend, dass der Bräutigam die Braut erst am Altar in voller Montur erblicken darf. Wahrscheinlich, weil die Männer angesichts des Unausweichlichen früher öfter mal abgehauen sind. Das wird mir nicht passieren.
    Die Kirche von Dumbling liegt am Ende einer kleinen Allee. Sie hat, wie alle bayerischen Modelle, einen Zwiebelturm und bietet etwa zweihundert Gläubigen Platz. Ich werfe einen Blick hinein: viel Gold, ein großes Taufbecken, Heiligenbilder, eine Kanzel, von der man herunterpredigen kann, und ein schwerer Altar, vor dem seltsamerweise zwei Fernsehhocker mit grünem Plüschbezug stehen. Trotz des sommerlichen Wetters ist es in der Kirche kühl. Deshalb warte ich lieber draußen.
    Eben ist der Charterbus aus Tiefenwalde angekommen. Mein Teil der Familie hat sich bald mit dem von Roni durchmischt. Wer zu wem gehört, lässt sich nur noch anhand von Tracht und Anzügen feststellen. Damit es nicht so aussieht, als sei meine Verwandtschaft zahlenmäßig überlegen, hat Knoll seine Blaskapelle mitgebracht. Verwandte und Freunde, die sich länger nicht gesehen oder gestern erst kennengelernt haben, fallen sich in die Arme, die Erwachsenen scherzen, die Kinder spielen, die Männer stehen bei den Männern, die Frauen bei den Frauen – wie in der Grundschule.
    Um halb elf tritt der Priester aus der Kirche. Er trägt jetzt eine weiße Stola und ein wallendes weißes Messgewand. Knoll begrüßt er mit Handschlag, mir zwinkert er spitzbübisch zu. «Wo is denn die Roni?»
    «Die kommt gleich», antworte ich fest. Irgendwie ist mir ein bisschen mulmig dabei.
    Der Priester schüttelt missbilligend den Kopf. «Ja wia? Um eiwe leitn die Glockn, um zwoiwe leitn die Glockn. Sonst wissa die Leit ned, ab wanns ko Weißwurscht essn soin. Da ko si koana nix ausnehma.»
    Jaja, Roni wird schon nicht ihre Hochzeit verpassen.
    Erst mal zu den Jungs. Mike trägt eine schwarze Fliege, Carsten den karierten Anzug seines Großvaters. Knoll hat sich zur Feier des Tages eine riesige weiße Feder an den Hut gesteckt. Er ist ja auch der Häuptling.
    «Sie haben ja eine Lederhose an», bemerkt Cousin Mike.
    «Wos soi i sonst oaziagn?»
    Urs und James, die auch Lederhosen tragen, gratulieren mir zu meinen Anzug.
    «Beautiful!», meint James, der sich die Blüte einer Papageienblume an den bestickten Hosenträger geklemmt hat.
    Um Viertel vor elf läuten die Glocken, und die Hochzeitsgäste marschieren in die Kirche. Roni ist immer noch nicht da, und auch von Regina fehlt jede Spur. Selbst Knoll geht jetzt unruhig auf dem Parkplatz auf und ab.
    Der Priester schaut auf die Uhr. «Scheins dess die Braut verzogn hom.»
    «Die ist doch schon verzogen, sonst wäre sie wohl pünktlich.»
    Er räuspert sich. «A Braut-ent-fia-rung! Des is a oida boarischer Brauch.» Er erklärt mir, dass sich traditionell ein paar Spezln des Bräutigams die Braut schnappen und sie in ein nahes Lokal entführen. Wenn
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