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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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der Bräutigam sie gefunden hat, kann er sie gegen den Brautstrauß einlösen. Oder er bezahlt die Zeche der Entführer, wird verkleidet und muss ein paar alberne Aufgaben absolvieren.
    Ich hätte es mir ja denken können. Eine ganz normale Hochzeit wäre auch zu schön gewesen.
    Knoll kommt dazu. «Die Roni kimmt zschbaad», brummt er.
    «Nein, offenbar ist sie entführt worden. Weißt du etwas darüber?» Knoll runzelt die Stirn.
    «Sei kos scho. Is a oida Brauch.»
    Der Priester grinst schadenfroh über beide Ohren. «Du soitst di spuaten. Und i brauch no die Ringe, ge. Zum Seign.»
    «Die hat Jochen.»
    «Wea?»
    «Der Kommunist.»
    «I sieg hia koan Kommunist ned.»
    Jochen! Der steckt also dahinter. Deshalb wollte er unbedingt den Brautstrauß haben. Wahrscheinlich sitzt er jetzt mit Roni irgendwo in der Kneipe und füllt sie ab. Wenn der jetzt meine Hochzeit platzenlässt, braucht er sich nicht mehr in München blicken lassen!
    Ich drehe suchend den Kopf. Dann wende ich mich an den Priester. So wie der grinst, steckt er mit Jochen unter einer Decke. «Wenn Sie mir sagen, wo ich die Braut finde, lege ich hundert Euro in Ihren Klingelbeutel.»
    «Die san meist ned weit weg. I daad moi im Trachtlerhof schaugn. Wos soi i den Gästn sogn?»
    «Was sagt denn die Tradition?»
    «Meist hoifa die beim Suachan.»
    Ich werfe einen Blick in die Kirche: Die Bänke sind voll besetzt mit Gästen und neugierigen Dumblingern. Auch meine Freunde aus Berlin und meine evangelische Familie aus Tiefenwalde haben bereits Platz genommen. Beide würden sonst kaum freiwillig eine katholische Kirche betreten. Außer vielleicht im Italien-Urlaub. Und jetzt muss ich sie bitten, noch mal rauszugehen und mir bei der Suche nach meiner Braut zu helfen? Das ist mir etwas unangenehm.
    Wie es die Tradition verlangt, sitzen die Berliner und Tiefenwalder auf einer Seite, die Bayern auf der anderen. Nur in der ersten Reihe sind fast noch alle Plätze frei. Dort hocken bislang nur meine Mutter, mein Vater und meine Oma. Die drehen sich um und sehen mich fragend an.
    Begleitet von dem feixenden Priester, schreite ich schweren Herzens durch den Mittelgang nach vorn. Die Blumenkinder Jenny und Benny kommen mit ihren Körbchen voller Blüten zu mir gerannt. «Wo ist denn deine Frau?», will Jenny wissen. «Ist die ausgebüxt?»
    «Die pflückt bestimmt noch Fleischpflanzen für heute Abend», vermutet Benny.
    «Die Braut kommt immer zu spät», erklärt ihnen meine Oma. «Das erhöht die Vorfreude.»
    «Nein», sage ich. «Roni ist entführt worden.» Meine Oma schlägt die Hände vor dem Mund zusammen. Ich nicke. Dann reiße ich mich zusammen und tue, was getan werden muss: Ich stelle mich vor den Altar. Mit Hilfe des Priesters bitte ich um Ruhe. Dann erhebe ich die Stimme.
    «Hallo, wie schön, dass ihr alle da seid. Es geht auch gleich los. Sobald die Braut hier ist. So wie es aussieht, ist sie entführt worden.»
    Ein Raunen geht durch die Gäste. Ich hebe die Hände.
    «Ist schon okay, die sitzt irgendwo in der Kneipe. Das ist anscheinend ein bayerischer Brauch.»
    Diesmal geht das Raunen nur durch die Hälfte der Kirche, in der die Tiefenwalder und die Berliner sitzen. Der Rest grinst wissend.
    «Macht euch keine Sorgen, das ist echt völlig normal. Vielleicht könnt ihr mir ja beim Suchen helfen.»
    Ratlose Gesichter. Kann ich gut verstehen. Ich kann ja selbst nicht glauben, was hier gerade abgeht.
    In dem Moment höre ich vor der Kirche Reifen quietschen, dann Knolls Stimme, die «Jetzat!» ruft. Ich schaue zum Eingang. Die Flügeltüren werden aufgestoßen. Da ist Jan, der Nunja stützt. Und endlich Roni! Meine Roni. In einem schlichten, hochgeschlossenen Meisterwerk aus weißem Satin. Dazu trägt sie feine Handschuhe, die bis zu ihren Ellbogen reichen. Sie sieht atemberaubend aus und irrsinnig elegant. Nunja hat die Vorlage von Christoph nur noch besser gemacht. In der rechten Hand hält Roni den Brautstrauß. Der Priester schaut mich an und grinst. «Do hod i di schee darbleckt, ge?»
    Mir doch egal, ich habe nur noch Augen und Ohren für meine wunderschöne Braut.
    Die Gäste haben sich automatisch erhoben. Der Orgelspieler schlägt daraufhin die ersten Takte des Hochzeitsmarsches an, hört aber sofort auf, als der Priester ihm mit der flachen Hand den Ton abschneidet. Es ist zwei vor elf. Und die Schwiegermutter fehlt auch noch.
    Die Gäste setzen sich wieder. Roni steht mit Knoll ein wenig unentschlossen im Eingang. Jenny und Benny zupfen
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