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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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«Willst du mich heiraten?»
    «Was?»
    «Ob du mich heiraten willst», schreie ich.
    Ein Gruftimädchen dreht sich um, schaut mich entsetzt an und schüttelt den Kopf. Ich ignoriere sie.
    Roni mustert mich aufmerksam. Im Stillen zähle ich: einundzwanzig, zweiundzwanzig. Unser Lied ist fast vorbei. Die Frau, die ich liebe, wägt offenbar die Vor-und Nachteile ab, mit mir verheiratet zu sein. Hat sie Angst, ich verschleppe sie nach der Hochzeit auf die Hallig Hooge? Befürchtet sie, dass unsere Kinder «Moinmoin» statt «Grüß Gott» sagen werden?
    Schließlich halte ich es nicht länger aus. «Roni? Willst du?» Sie zwinkert, als würde sie aus einem Traum erwachen. Dann schaut sie mir tief in die Augen. Ihre Lippen formen die Worte «Ja, ich will».
    Ich stecke ihr den Ring an den Finger, und wir küssen uns. Dabei beuge ich mich über sie, wie der Prinz über Dornröschen. Black Francis spielt die letzten Takte unseres Lieds, und Kim Deal singt noch einmal herrlich schräg den Refrain.
    Als Teenager habe ich mit meinen Eltern ein Rolling Stones-Konzert besucht. Alle haben wild getanzt und von den guten alten Zeiten geschwärmt. Sie fühlten sich wieder jung – mir dagegen kamen sie fürchterlich alt vor. Jetzt stehe ich selbst hier, knapp über dreißig, mit ergrauten Schläfen. Ich kenne die neuen Bands nicht mehr, und Musikmagazine lese ich bloß, wenn ich mal bei Jochen in Berlin bin. Und das passiert auch nicht mehr so oft. Ist das hier überhaupt noch meine Welt? Oder ist meine Welt nicht vielmehr eine neue, unbekannte Welt, in der ich mich auf einen Menschen und eine Beziehung einlasse, wie einst auf Bayern? Beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt?
    Ich schaue meinen besten Freund an.
    «Motörhead!», ruft er und reckt eine Faust in die Höhe.

PREISS
    (hochdeutsch: Jeder, der nicht akzentfrei Bairisch spricht)
    Seit unserer Verlobung leben Roni und ich in ihrem WG-Zimmer: Wir teilen ihr Bett, ihren Fernseher und ihren Mitbewohner. Leider. Seit ich Dauergast bin, lässt er sich zwar kaum noch zu Hause blicken, doch immer, wenn ich gerade völlig vergessen habe, dass er existiert, taucht er auf: Neulich etwa kam ich splitternackt aus der Dusche und traf ihn im Flur. «Was machst du denn hier?», habe ich ihn gefragt. «Wohnen», hat er geantwortet.
    «Ach ja, entschuldige.»
    «Kein großes Ding.»
    So etwas sagt man nicht, wenn einer nackt ist! Sobald in einer Wohngemeinschaft doppeldeutige Anspielungen gemacht werden, ist es an der Zeit, etwas zu ändern. Nun könnten Roni und ich ja auch bei mir unterkommen, aber sie meint, dort sehe es aus wie bei «Saddam und Camorra».
    Der Ordnung halber weise ich sie darauf hin, dass es korrekt «Sodom und Gomorrha» heißt. Doch das will sie gar nicht hören. Roni meint, Saddam Hussein und die neapolitanische Mafia hätten wohl mehr Chaos angerichtet als die Bewohner beider biblischer Städte zusammen. Gerade ich als Journalist solle gelegentlich mal darüber nachdenken, meine Redewendungen zu aktualisieren.
    Bei Roni geht das offenbar automatisch. Wenn sie sich aufregt, ist sie schnell «auf zweihundertfünfzig», und wenn ich nicht verstehe, was sie will, wirft sie mir vor, ich sei «völlig verkabelt». Mir ist das egal – Hauptsache, die Physik stimmt. Und die stimmt, deshalb wollen Roni und ich in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Wir müssen nur noch eine finden.
    Als ich Jochen von meinem Plan erzähle, reagiert er entsetzt. «Du willst zusammenziehen?», keucht er ins Telefon. «Mit einer Frau ?!»
    «Nein, nicht mit irgendeiner, sondern mit meiner Zukünftigen.»
    «Du bist echt komisch. In Berlin wolltest du nie mit Frauen zusammenwohnen. Du wolltest nicht mal eine Katze.»
    «Roni und ich, wir heiraten doch bald. Und da wollen wir uns ein Nest bauen und … Jochen?»
    Aufgelegt.
    Wahrscheinlich hätte ich die Wendung «ein Nest bauen» vermeiden sollen. Beim nächsten Mal sage ich einfach: «Wir wollen uns einen Partykeller einrichten.» Oder, noch besser, «eine Chill-Out-Lounge».
    Ich rufe noch einmal an und erkläre ihm, dass man nicht ewig von einer Affäre zur nächsten tanzen kann, als wäre das Leben eine Großraumdisco.
    «Jochen, ich glaube, dass es die größere Herausforderung ist, sich zu einer einzigen Person zu bekennen. Es ist doch viel schwieriger, sich einzuschränken, als all seinen Wünschen nachzugeben. Ich will dir jetzt keine Such-dir-einen-Job-und-eine-Frau-und-zieh-nach-München-Predigt halten, aber für mich war das damals
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