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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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genau das Richtige: Ich habe meinen größten Feinden ins Auge geblickt: der Monogamie und der Karriere. Und ich bin glücklich, dass ich Roni und einen guten Job gefunden habe. Ähm, Jochen?»
    Schon wieder aufgelegt.
    Kann ich verstehen. Wenn ich mich so reden höre, finde ich mich selbst unfassbar spießig. Ist doch klar, wie so was läuft: Heiraten, Kinder und irgendwann ein Doppelhaus mit den Schwiegereltern. Davor hatte ich zeit meines Lebens den blanken Horror. Habe ich immer noch. Und nicht nur davor. Kann ich wirklich versprechen, dass ich Roni ein Leben lang lieben werde? Was ist in fünf Jahren? Oder in fünfzig? Wie werden wir uns verändern? Darf ich dann überhaupt noch nach Berlin zum Feiern? Gibt es Berlin dann überhaupt noch?
    Vor der Hochzeit habe ich auch ziemlichen Bammel. Wen laden wir ein und wen nicht? Wo werden wir feiern? Wer wird mein Trauzeuge? Wie schaffe ich es, am Junggesellenabend keinen Mist zu bauen? Was soll ich anziehen? Und was heißt «Ja, ich will» auf Bairisch?
    Eins nach dem andern. Roni und ich wollen heiraten, weil wir uns lieben. Alles andere wird sich schon ergeben. Erst mal die Wohnung: Bei meinem ersten Telefonat mit einem Vermieter schleime ich mich nach allen Regeln der Kunst ein. Kommt bestimmt gut an, hier bei den emsigen Bayern. Ich erzähle, dass ich als renommierter Journalist für eine renommierte Zeitung schreibe, schwärme von meinen renommierten Artikeln und meinem Gehalt, sage, dass ich viel arbeite und deshalb eh kaum zu Hause bin.
    «Naa», meint der Vermieter. «So an Gschaftlhuber mog i ned hom.»
    «Das sagen Sie nur, weil ich Norddeutscher bin», kontere ich und lege schnell auf.
    Roni hat indessen über Bekannte von einer «erstklassigen Wohnung» erfahren und gleich einen Besichtigungstermin vereinbart. Ich werfe mich in Schale: Jackett, Hemd, Lederschuhe, Jeans ohne Löcher. Roni trägt ein Kleid, was sie sonst nicht so oft macht. Schade eigentlich.
    Die Wohnung liegt nur ein paar hundert Meter von der Isar entfernt, kurz hinter der Corneliusbrücke, im vierten Stock eines imposanten blassgelben Altbaus mit rotem Ziegeldach. Wir klingeln.
    Eine stark geschminkte Mittfünfzigerin öffnet die Tür. Auf dem Kopf trägt sie etwas, das vor langer Zeit mal eine Dauerwelle gewesen sein muss. Die Frau ist klein, rund und blinzelt misstrauisch. Sie versucht ein Lächeln.
    «Grüß Gott», sage ich und gebe mir Mühe, das «R» so landläufig wie möglich rollen zu lassen.
    «Seids Preißn?», fragt sie. Ihre Mundwinkel sacken nach unten, in ihren Augen blitzt Skepsis auf, das Lächeln erstirbt.
    Dafür setzt Roni eines auf. «Er scho, i ned», sagt sie.
    Mir fällt auf, dass ich sie noch nie habe Bairisch sprechen hören. Ihre Mutter Regina kommt wie ich aus Hannover. Roni ist zwar in Dumbling aufgewachsen, hat ihre Jugend aber in München verbracht. Bairisch scheint ihre Geheimwaffe zu sein. Funktioniert: Das Lächeln kehrt auf die Lippen der Frau zurück.
    «Kimmts eini», sagt sie.
    Die Wohnung ist genau, wie wir sie uns wünschen: Dielen, Stuck, Türen mit Glaseinsatz, kurzum: alles, wie es sein sollte; ein wenig alt, ein wenig eckig, mit Charakter eben, nicht mehr neu, aber auch nicht abgewohnt.
    Der größte Vorteil: weit und breit keine Mitbewerber in Sicht. Eigentlich ist fast gar nichts in Sicht, denn im Flur hängen so viele Geweihe, dass ich kaum die Wandfarbe erkennen kann: Hörner von Rehen, Hirschen, Antilopen, die gewaltigen Schaufeln eines Elchs, dazu präparierte Vögel mit anklagend aufgesperrtem Schnabel, ausgestopfte Tiergesichter und drei Dachse, die nebeneinander Männchen machen. Wie Äste in einem Märchenwald ragen die Trophäen dicht an dicht in den Raum. Der Vormieter muss Jäger und Sammler gleichzeitig gewesen sein.
    «Gruselig», flüstert Roni mir zu. «Aber wenn die Totenschädel weg sind, können wir daraus eine echt tolle Bude machen.»
    Für mich ist das der Immobilie gewordene Albtraum. Mein Vater ist Hobbyjäger, und wie alle Jägerkinder habe ich immer kaum Fleisch gegessen. Bis ich nach Bayern zog. Irgendwann schluckt man die Schinkenwürfel im Salat, auf den Kasspatzen und in den Quarkspeisen einfach runter, ohne sich zu beschweren. Aber noch heute bin ich passives Mitglied im Tierschutzbund. Ronis Tierliebe geht sogar so weit, dass sie Möpse «süß» findet und Ziegen im Streichelzoo stets «meine Freundinnen» nennt.
    Zackig führt uns die Frau von einem Zimmer zum nächsten. «Kichn, Klo, Schlofzimma, Wohnzimma,
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