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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Autoren: Sarah Beth Durst
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»Und vorne rechts, das ist die Kirche unserer Universität. Wir sind soeben über den Innenhof von East Pyne gegangen, wo die Fakultät für Fremdsprachen ihren Sitz hat. Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit nun auf den oberen Teil des Torbogens lenken dürfte.« Sie deutete auf das Eingangstor zu East Pyne, und wieder drehten sich alle wie auf Kommando um. Oberhalb des Torbogens zierte eine steinerne Skulptur die Fassade aus rotem Sandstein. Es war der Kopf einer Frau mit verbundenen Augen. Direkt unter ihrem Kinn ragten angewinkelte Arme aus der Mauer, die ein aufgeschlagenes Buch hielten. Alle Fotoapparate richteten sich darauf.
    »Also … dann bin ich auf dem richtigen Weg, um den Schlüssel zu finden?«, fragte Lily Tye und beugte sich näher zu ihm, damit die anderen nicht hörten, was sie sagte. Aus dieser Entfernung konnte sie seinen Geruch wahrnehmen. Sie sog ihn tief ein. Er duftete nach Regenwald. Oder wie ihr Blumenladen, nachdem Mom die Pflanzen mit frischem Wasser besprüht hatte. Mit seinen Jeans und dem schwarzen T-Shirt wirkte er ohnehin nicht wie ein Junge, der parfümiertes Aftershave benutzte.
    Er warf ihr sein schiefes Lächeln zu. »Hängt davon ab, was du damit aufschließen willst.«
    Noch mehr Rätsel? »Besten Dank auch, Grinsekatze.« Vielleicht war ihm ja nicht klar, dass ihre gesamte Zukunft hiervon abhing.
    Sein Lächeln verschwand, und er fuhr sich verlegen mit der Hand durch den gestreiften Tigerschopf. »Was meinst du damit?«
    Wer in aller Welt färbte sich denn erst die Haare in den verrücktesten Farben und wurde dann verlegen, wenn die Rede darauf kam? Mom schreckte nie zurück, wenn die Leute ihr seltsame Blicke zuwarfen. Aber das war natürlich auch Mom, die Königin der seltsamen Blicke. Sie war es gewohnt. »Ich meinte nicht deine Haare«, sagte Lily. »Ich finde deine Haare schön.«
    Das Grinsen kehrte zurück. »Danke.«
    Dachte er jetzt etwa, sie versuchte, mit ihm zu flirten?
    Da war wieder die Fremdenführerin. »Einige der Gargoyles hier auf dem Campus, wie zum Beispiel der Gebildete Affe am Dyllon Gym, unserer Sporthalle, sind witzig. Andere sind eher klassischen Vorbildern nachempfunden, wie zum Beispiel der Angekettete Drache, den wir gleich am Eingang zur Kirche sehen werden. Wieder andere repräsentieren allgemeine Erfahrungen, die man an einer Universität machen kann, wie zum Beispiel unser Dauerbrenner hier oben, die Blinde Leserin. Sie symbolisiert die Tatsache, dass den Studenten an der Uni die Augen geöffnet werden.«
    »Wozu brauche ich einen Beschützer?«, fragte Lily Tye im Flüsterton. Sie war schließlich nur auf einer Campus-Tour in einem beschaulichen Vorort und nicht mutterseelenallein in der Innenstadt. »Sollst du mich etwa gegen bösartige Eichhörnchen und marodierende Banden von Erstsemestern verteidigen?«
    »Irgendwas in der Art«, erwiderte Tye kryptisch.
    Die Fremdenführerin sprach gerade über eine Bulldogge (das Maskottchen von Yale), die vermutlich der Architekt, ein Yale-Absolvent, an einer Regenwasserrinne der Universitätskirche angebracht hatte. »Wo sie auch hinschauen auf diesem Campus, überall können sie solche kleinen Kostbarkeiten finden. Es gibt sogar Leute, die nennen unsere Gargoyles die ›wahren Professoren von Princeton‹«, schloss sie.
    Lily zuckte zusammen. Also das war jetzt wirklich mies. Als die Gruppe sich wieder in Bewegung setzte und Richtung Kirche weiterging, blieb sie zurück. »Sollte ich wirklich bei dieser Führung sein?«, wisperte sie zu Tye. »Scheint, als würde ich von ihr genauso viel erfahren, was mir weiterhelfen könnte, wie von einem dieser Gargoyles.« Sie nickte hinauf zu der Blinden Leserin.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.« Seine goldenen Augen zwinkerten ihr zu. »Man kann nie wissen, was so ein Gargoyle zu erzählen hat.« Er winkte hinauf zu der steinernen Frau über dem Torbogen, als sei sie eine gute alte Freundin, die er immer grüßte, wenn er sie traf.
    Hoch oben über dem Torbogen zuckte die Blinde Leserin mit den steinernen Fingern.
    Lily spürte, wie sie kreidebleich wurde. Es musste ein Lichtschimmer gewesen sein, eine Wolke, die kurz die Sonne verdeckt hatte. Aber der Himmel erstrahlte in einem makellosen Blau. »Hast du das gesehen …« Sie hielt inne. Er sollte sie nicht für eine Verrückte halten, oder, noch schlimmer, den Old Boys berichten, sie hätte genau die gleichen Probleme wie ihre Mutter.
    Tye betrachtete sie mit undurchdringlicher Miene.
    »Ach, vergiss es«,
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