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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Autoren: Sarah Beth Durst
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sagte Lily. Die zitternden Hände hinter dem Rücken verschränkt, musste sie alle Kraft aufbieten, um ruhig zu bleiben. Sie hatte die dreifache Dosis genommen. Es war gut möglich, dass sie einen Schlaganfall bekam oder einen Herzinfarkt. Aber auf gar keinen Fall durfte sie einen Hirnhickser haben.
    Die Finger zuckten noch einmal.
    »Heilige Scheiße«, entfuhr es Lily.
    Sie konnte nicht leugnen, was sie gesehen hatte. Aus dem Augenwinkel warf sie einen verstohlenen Blick auf Tye. Seine goldbraunen Augen blickten sie immer noch sehr intensiv an.
    Über ihren Köpfen spreizten sich die steinernen Finger und ließen eine Steinscherbe fallen. Lily streckte die Arme aus, ohne nachzudenken. Das Bruchstück landete fein säuberlich in ihren Handflächen. Gebannt starrte sie darauf. Es fühlte sich nicht an wie eine Halluzination.
    »Was sagt sie?«, fragte Tye.
    Ihr Kopf ruckte hoch. »Wie kommst du darauf, dass sie irgendwas sagt?« Sie wartete seine Antwort nicht ab. »Die Old Boys … Vineyard Club … Sie haben die Figur manipuliert«, sagte sie tonlos. Dann schwenkte sie den Steinsplitter durch die Luft. »Das ist ein Hinweis. Und du wusstest es und hast mich denken lassen, dass ich … « Anstatt den Satz zu beenden, packte sie ihn am Arm. Ihre Finger berührten seine nackte Haut, und kleine statische Wellen tanzten über ihre Fingerspitzen.
    Tyes Augen weiteten sich. Flink wie eine Katze haschte er nach ihrer Hand und hielt sie eine Sekunde lang fest. Sie spürte, wie ein Prickeln ihren Arm hinauf- und wieder hinunterlief. »Wer bist du?«, wollte er wissen.
    »Niemand«, sagte sie. »Ich bin Lily. Lily Carter.«
    Sein Blick durchbohrte sie. Sie spürte, dass sie gerade zum dritten Mal über und über rot wurde. Gesicht und Hals und alles. Einen Moment später ließ er ihre Hand los und errötete gleichfalls. »Entschuldige.« Ihm schienen die Worte zu fehlen. Sie bog und streckte ihre Finger. Seltsam , dachte sie. Ihre Hand kribbelte. »Du, äh, du glaubst, die Old Boys kontrollieren die Figur?«, fragte er schließlich.
    »Puppe oder Roboter.« Was von beiden genau, war ihr egal, solange es nur keine Halluzination war. Lily studierte das Stückchen Stein, ein flaches Rechteck.
    Auf einer Seite waren Zahlen und Buchstaben eingraviert: 921.45 Wil . Sie zeigte es Tye.
    »Mysteriös«, war sein ganzer Kommentar.
    »Es könnte ein Datum sein. Allerdings stimmt die Interpunktion nicht ganz«, sagte sie. »Und was soll dieses ›Wil‹ bedeuten?«
    »Vielleicht eine Abkürzung?«, schlug Tye vor. »Ein Akronym?«
    »Zeit, es herauszufinden«, sagte Lily. Sie waren nur einen Steinwurf von der Unibibliothek entfernt. Die Aussicht, sich durch riesige Berge von Informationen zu wühlen, war beängstigend, doch die Antwort fand sich bestimmt irgendwo da drin. Es konnte doch kein Zufall sein, dass sie diesen Hinweis so nahe an …
    Oh.
    Natürlich.
    »Es ist eine Buchsignatur«, sagte sie laut. Dann sah sie hinauf zu der Blinden Leserin und fragte: »Hab ich nicht recht?«
    Die Figur antwortete nicht.
    Liebe auf den ersten Blick, dachte Lily, als sie und Tye zur Firestone Library hinübergingen. Erstens bestand die Bibliothek komplett aus wunderschönen, grauen Steinen und hatte Türmchen. Aber zweitens, und das war sogar noch besser, war sie nicht symmetrisch gebaut. Der einzelne, große Turm stand nicht in der Mitte. Es sah aus, als hätte ihn jemand von Notre Dame gestohlen und einfach auf das Gebäude gestellt, ohne vorher Maß zu nehmen. Einfach herrlich. Der Bau war großartig und skurril zugleich und unterschied sich ganz und gar von ihrer Bibliothek zu Hause. Nicht, dass sie die nicht auch liebte. Zwar handelte es sich um einen tristen, grauen Haufen Beton aus den Siebzigern, doch der war ihr bevorzugter Rückzugsort, wenn Mom mal wieder zu »künstlerisch« wurde und aus dem Ruder lief. Dann pflegte Lily sich in der Sachbuchabteilung einzuigeln. Sie mochte es, die Bände mit dem Daumen durchzublättern und sich dabei vorzustellen, was sie alles tun würde, wenn ihr Leben erst mal ihr allein gehörte – falls das jemals der Fall sein sollte.
    Würde sie in Princeton angenommen, wäre sie ihre eigene Herrin. Da es die Alma Mater ihres Großvaters war, durfte sie sich hier bewerben, selbst wenn das bedeutete, dass sie von zu Hause wegmusste. (Princeton war zu weit entfernt von Philadelphia, um jeden Tag zu pendeln.) Alle anderen Colleges, die Grandpa für würdig befunden und auf seine Liste gesetzt hatte, befanden
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