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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Autoren: Sarah Beth Durst
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die Anzeichen eines Schlaganfalls, einer Herzattacke oder eines Krampfes. Doch abgesehen von einem seltsamen Klingeln in den Ohren (das, so beschloss sie, von einem entfernten Radio kam), fühlte sie sich gut.
    Sie musste unbedingt runterkommen. Ja, es war eine unglaubliche, einmalige, unerwartete Chance – und genau da lag das Problem. Sich das bewusst zu machen, half nicht im Geringsten . Lily holte tief Luft. Sie musste sich einfach so verhalten, als wäre sie auf einem Ausflug mit Mom. Sie musste ruhig bleiben, die Kontrolle behalten und versuchen, nichts Dummes zu tun.
    Wie zum Beispiel eine Überdosis Antipsychotikum einzunehmen.
    Schluss damit, schalt sie sich. Es war nun mal passiert, und jetzt musste sie einfach weitermachen. Die beste Aussicht, auf eine Orange Key Tour zu treffen, bestand in der Mitte des Campusgeländes. Lily steckte Medizinfläschchen und Handy zurück in die Tasche und verließ den Durchgang, ohne die Gargoyles eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Fast sofort wurde das Klingeln in ihren Ohren lauter. Es war eine Abfolge von Misstönen, die sich zu einem ständigen Summen verdichteten, und erreichte seinen Höhepunkt, als sie eine von Rhododendronbüschen und Immergrün gesäumte Campusstraße erreichte. Wahrscheinlich war es die Musik aus den Festzelten der verschiedenen Abschlussjahrgänge, die sich hier überlagerte. Grandpa hatte erzählt, dass jede Absolventenklasse ihren eigenen, durch Zäune abgegrenzten Bereich hatte. Und auch eigene Musik – Swing-Band, Country-Band, Disco-Band oder DJ . Diese Erklärung klang weit einleuchtender als die, dass das Summen die Nebenwirkung einer Überdosis war. Energisch schob Lily alle Gedanken an Medizin und Hirnhickser beiseite und konzentrierte sich auf den ersten Anblick, den das Herz des Unigeländes bot.
    Vor ihr lag ein weiter Platz mit einer hochaufragenden Kirche. Zu ihrer Rechten befand sich ein Unterrichtsgebäude im gotischen Stil, über und über bedeckt von Glyzinien. Zu ihrer Linken verlief ein von Efeubeeten eingefasster Fußweg, den in regelmäßigen Abständen Laternenmasten säumten. Sie folgte einer Straße, überquerte den Vorplatz der Kirche und ging weiter in Richtung einer großen, grünen Rasenfläche, die von zwei gleich aussehenden, tempelähnlichen Gebäuden aus weißem Marmor flankiert wurde. Das war die Princeton University, die sie unbedingt hatte sehen wollen. Gotische Türmchen. Gebäude aus blendend weißem Marmor. Mächtige Eichen und Ulmen und Sykomoren. Saftig grüne Rasenflächen, die so perfekt wirkten, als wäre das Gras von einem Meisterbarbier gekämmt und geschnitten worden und nicht von einem Rasenmäher. Ein Grüppchen Touristen watschelte wie Entenküken hinter einer Frau her, die rückwärts lief.
    Nehmt das, Old Boys!, schoss es Lily durch den Kopf.
    Dann legte sie einen Schritt zu und trabte quer über den grünen Rasen hinüber zu der Orange Key Tour. Unauffällig schloss sie sich hinten an, während die Touristen und zukünftigen Studenten mit ihren Familien ein efeuberanktes Gebäude umrundeten. Sie hörte, wie die Fremdenführerin es Nassau Hall nannte und erklärte, es sei das älteste Gebäude in Princeton. Lily blickte an der Fassade aus gelbem Stein empor bis zu dem weißen Glockenturm und vermisste ihren Großvater. Er hätte ihr den Campus zeigen sollen. Na ja, diesen besonderen Moment hatten sie dann wohl verpasst.
    Wenn es ihr jedoch vor Samstagnachmittag gelang, den Ivy Key zu finden, konnte sie immer noch mit Grandpa zusammen auf der P-rade marschieren, der großen Parade aller Alumni über das Campusgelände, die jedes Jahr stattfand und von der er immer schwärmte. Sie hatte keinen Grund, sich mies zu fühlen. Nicht alle dieser warmen, besonderen Momente, die ihre Bindung aneinander verstärkten, hatte sie verpasst. Und wenn sie es schaffte, in Princeton angenommen zu werden, dann würde das natürlich der beste von allen sein.
    Die Campusbesucher versammelten sich vor Nassau Hall. Zu der hohen, blau gestrichenen Eingangstür führte eine kurze Treppe, die von zwei grünen Tigern aus Kupfer flankiert wurde. Lily schob sich etwas näher an die Fremdenführerin heran. Die Studentin, die einen Pferdeschwanz trug und ein Hemd der Hockeymannschaft von Princeton, sagte gerade: »Nach der Abschlussfeier verlassen alle frischgebackenen Absolventen den Campus durch das FitzRandolph Gate«, und deutete auf etwas hinter der Gruppe. Alle (Lily eingeschlossen) drehten sich gleichzeitig um und
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